Berateraffäre Verteidigungsministerium: Wir. Dienen. McKinsey

Die ersten ZeugInnen sagen im Untersuchungsausschuss zur BeraterInnenaffäre aus. Das erhöht den Druck auf die Verteidigungsministerin.

Ursula von der Leyen steht zwischen salutierenden uniformierten Soldaten

Es mangelt an Leyability: Material, Verfassungstreue, Haushaltsdisziplin – nicht sonderlich verlässlich Foto: dpa

BERLIN taz | Die BeamtInnen des Bundesrechnungshofs arbeiten eigentlich verschwiegen. Die Behörde, die aufdecken soll, wo der Staat Geld verschwendet, informiert die Öffentlichkeit nur über ausgewählte Fälle. Unterlagen rückt sie prinzipiell nicht raus. Und den Wortlaut des Prüfberichts, mit dem sie vor einem halben Jahr den größten Skandal in der Amtszeit von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) auslöste, hält sie bis heute unter Verschluss.

Am Donnerstag müssen die PrüferInnen aber reden: Im Bundestag beginnt der Untersuchungsausschuss zur BeraterInnenaffäre mit der Beweisaufnahme. Für die erste Sitzung haben die Abgeordneten zwei ZeugInnen aus dem Rechnungshof vorgeladen. Erstmals müssen sie öffentlich erzählen, was ihre Behörde in den letzten Jahren über krumme Consulting­geschäfte im Verteidigungsministerium herausgefunden hat.

Es geht um Aufträge an externe Beratungsunternehmen wie McKinsey, KPMG und Accenture, die das Ministerium in den letzten Jahren massenhaft vergeben hat. Hunderte Millionen Euro gingen dafür drauf, die genaue Summe ist bislang nicht klar. Der Rechnungshof wirft dem Ministerium vor, dabei gegen diverse Regeln verstoßen zu haben: Es habe oft nicht geprüft, ob eigene MitarbeiterInnen bestimmte Aufgaben nicht genauso gut erledigen können wie gut bezahlte BeraterInnen. Auf Kosten-Nutzen-Analysen habe man häufig verzichtet. Und die eigentlich vorgeschriebenen Ausschreibungsverfahren, bei denen am Ende das beste Angebot gewinnt, habe das Ministerium gern umgegangen. Stattdessen habe es Aufträge lieber freihändig verteilt.

Das Ministerium hat bereits Fehler eingeräumt und Besserung versprochen. Der Opposition im Bundestag reicht das aber nicht aus: Sie will im U-Ausschuss die Details der Affäre aufklären. „Im Fokus steht unter anderem die Frage, wie es zu den Regelverstößen kommen konnte“, sagt der Linken-Abgeordnete Matthias Höhn. Die harmloseste Antwort wäre „Schludrigkeit“, die brisanteste wäre „Vorsatz“.

Probleme im Beschaffungswesen

Von einem „Buddysystem“ sprechen Abgeordnete der Opposition: Unter anderem sind ein zuständiger General im Verteidigungsministerium und ein zuständiger Mitarbeiter der Unternehmensberatung Accenture gute Freunde. „Es wird auch darum gehen, wie weit man sich gekannt hat und inwieweit man sich deshalb Aufträge zukommen ließ, die hätten ausgeschrieben werden müssen“, sagt FDP-Abgeordnete Marie-Agnes Strack-Zimmermann.

Heikel ist die Affäre auch für die Spitze des Hauses: Ministerin von der Leyen konnte bisher alle Probleme im Verteidigungsministerium aussitzen. Im Zweifel verwies sie stets darauf, Missstände von ihren Vorgängern geerbt zu haben. Bei der BeraterInnenaffäre kommt sie damit aber nicht davon: Von der Leyen selbst hatte nach der Übernahme des Ministeriums Unternehmensberatungen ins Haus geholt, um Probleme im Beschaffungswesen zu lösen.

Wie konnte es dazu kommen? Die harmloseste Antwort wäre „Schludrigkeit“, die brisanteste „Vorsatz“

Sie machte Katrin Suder, eine ehemalige McKinsey-Mitarbeiterin, für vier Jahre zur Staats­sekretärin. Schon ein halbes Jahr nach Amtsantritt vergab sie einen ersten Auftrag an ein Beratungskonsortium um KPMG. Die Chefin hat den Kurs des Ministeriums also selbst vorgegeben. Im Winter hat der Verteidigungsausschuss sie deshalb schon zweimal zu der Affäre befragt.

Von der Leyen kommt am Ende

Zufrieden war die Opposition mit den Antworten nicht – deshalb gibt es jetzt den U-Ausschuss. Dieser tagt erstens öffentlich, wodurch Aufmerksamkeit und Druck für die Beteiligten steigen. Zweitens kann er ZeugInnen zur Aussage zwingen. So wird zum Ende der Beweisaufnahme in einigen Monaten neben von der Leyen auch Ex-Staatssekretärin Suder erscheinen, die sich einer Aussage im Verteidigungsausschuss noch verweigerte. Zunächst werden die Abgeordneten aber kleinere Fische vernehmen, darunter Abteilungsleiter aus dem Ministerium und Mitarbeiter der Beratungsunternehmen.

Am Ende könnte es auch darum gehen, in welchem Umfang die Regierung überhaupt externe Beratung einkaufen sollte. Auch andere Ministerien greifen regelmäßig auf Sachverstand von außen zurück. Die Opposition lehnt es nicht kategorisch ab, bei schwierigen Themen private ExpertInnen zu bezahlen, kritisiert aber außer Regelverstößen wie im Verteidigungsministerium Ausmaß und Ursachen. „Oft sagen öffentliche Auftraggeber: Wir haben so viele unbesetzte Stellen – wir müssen Aufgaben ausgliedern“, so der Linke-Politiker Höhn. „Will man das lösen, muss man die strukturelle Unterbesetzung der öffentlichen Hand abstellen.“

Und die Abgeordneten der Koalition? Sie versichern, im Ausschuss konstruktiv mitarbeiten zu wollen – und lenken den Fokus weg von der Ministerin und hin zu von der Leyens ursprünglichen Ziel, das Beschaffungswesen zu reformieren. „Es ist gut, dass wir die Unregelmäßigkeiten bei der Vergabe von externen Beratungsleistungen untersuchen“, sagt Henning Otte, der für die CDU im Ausschuss sitzt. „Insbesondere dann, wenn es uns unter dem Strich hilft, die Beschaffung der Bundeswehr effizienter zu gestalten. Unser zentrales Ziel ist es, dass das Material für die Soldaten schneller zuläuft.“

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.