Die Ämter sollen es richten

Datenfluss im Hintergrund statt aufwendiger Bürokratie: Die Linksfraktion möchte es einfacher machen, die Befreiung vom Rundfunkbeitrag zu beantragen

Kein Einfluss auf Inhalte, aber eine unkomplizierte Befreiung der Rundfunk­beiträge Foto: Monika Skolimowska/dpa

Von Alexander Diehl

Eine Wohnung, ein Rundfunkbeitrag – so steht es seit 2013 im Rundfunkbeitragsstaatsvertrag (RBStV). Davon gibt es Ausnahmen, die sich mit geringem Einkommen begründen oder mit Behinderung und körperlicher Beeinträchtigung – die häufig schlechtere Erwerbsmöglichkeiten zur Folge haben. Aus Sicht der Linken in der Bürgerschaft ist das Verfahren aber zu kompliziert, mit dem die Befreiung von der Gebühr beantragt werden muss. Deshalb will die Fraktion am Mittwoch eine Vereinfachung beantragen.

Wer staatliche Leistungen bezieht, Grundsicherung etwa oder Arbeitslosengeld, der kann beantragen, nicht zahlen zu müssen. Befreit werden kann auch, wessen Einkommen nur unwesentlich über den sozial­rechtlichen Regelsätzen liegt. Immerhin eine Ermäßigung auf ein Drittel des Beitrags können etwa Menschen mit einer schweren Sehbehinderung erhalten, gehörlose oder überhaupt solche mit einem nicht nur zeitweisen Behinderungsgrad von wenigstens 80 Prozent.

„Fehleranfällig“ nennt die Linksfraktion das bestehende Procedere: So müsse die Befreiung „in recht häufiger Folge“ beantragt werden, wobei die Betroffenen darauf angewiesen seien, zügig die geforderten Nachweise darüber zu erhalten und vorzulegen, dass sie den Radiorabatt auch verdienen. „Gerade ältere Menschen, Personen in schwierigen Lebenslagen, mit Sprachbarrieren oder Sehbehinderungen sind mitunter nicht in der Lage, die notwendigen Befreiungsanträge regelmäßig und rechtzeitig zu stellen.“ Die Folge: Mahn- und Vollstreckungsverfahren – in den Worten des Linken-Antrags: ein „Kreislauf von Fehleranfälligkeit, Überforderung und unnötiger Verschuldung“.

2013 wurde die existierende Rundfunkgebühr ersetzt durch einen Rundfunkbeitrag in Höhe von derzeit monatlich 17,50 Euro.

Der Beitrag ist pro Wohnung zu zahlen, egal, wie viele Menschen (mit wie vielen Geräten) sie bewohnen. Auch egal ist, ob der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Anspruch genommen wird.

Im Jahr 2017 nahmen ARD, ZDF und Deutschlandfunk durch den Beitrag mehr als 7,97 Milliarden Euro ein; für mehr als 39,1 Millionen Wohnungen gab es Beitragskonten.

Keine Kosten fallen für Zweit- oder Nebenwohnungen an; das entschied das Bundesverfassungsgericht im Juli 2018.

Dass der Beitrag verfassungsgemäß sei, befand ebenfalls 2018 der Europäische Gerichtshof in Luxemburg.

Derzeit würden „viele Befreiungen vom Rundfunkbeitrag nicht erfolgen, obwohl die Voraussetzungen dazu an sich vorliegen“, schrieb am Montag die Landesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung (LAG). In dem Verein sind mehr als 50 Schuldnerberater*innen, Beratungsstellen, Rechts­an­wält*innenund weitere einschlägig Engagierte organisiert. Wie der Senat selbst auf eine Anfrage der FDP-Abgeordneten Christel Nicolaysen geantwortet hat, gab es in Hamburg Ende November 2018 fast 94.000 säumige Beitragskonten – der anhängige Fehlbetrag betrug demnach 27 Millionen Euro.

Was tun? Die Linke fordert eine Neugestaltung des Verfahrens: Wer staatliche Leistungen bezieht, die ihn von der Zahlungspflicht entheben würden, soll das nicht mehr beantragen müssen – sondern „mittels einer Befreiungsmeldung des jeweiligen Leistungsträgers“ sozusagen „automatisch befreit werden“. Schon heute geben die Meldebehörden ja Daten weiter an den Beitragsservice von ARD, ZDF und Deutschlandradio, den Nachfolger der berüchtigten Gebühreneinzugszentrale. Auch die LAG wunderte sich gestern darüber, dass ein solcher Austausch „auf der Befreiungsebene nicht geschieht“.