Dreikampf in Kiew

80 Zentimeter lang und 20 breit wird der am 31. März bei den ukrainischen Präsidentschaftswahlen eingesetzte Wahlzettel sein. Mit 39 registrierten Kandidaten ist er der längste in der Geschichte der Ukraine. Sollte kein Kandidat 50 oder mehr Prozent der abgegebenen Stimmen erhalten, kommt es zur Stichwahl: Die beiden stärksten Kandidaten treten dann am 21. April gegeneinander an.

Bei den letzten Präsidentschaftswahlen im Mai 2014 gewann Petro Poroschenko mit knapp 55 Prozent der Stimmen schon im ersten Wahlgang Die Chancen für seine Wiederwahl sind wackelig. Derzeit führt der Komiker Volodimir Selenski mit gut 32 Prozent in den Umfragen haushoch. Petro Poroschenko würde mit rund 17 Prozent immerhin die Stichwahl erreichen, während Julia Timoschenko mit 12,5 Prozent geringere Chancen eingeräumt werden.

Sollte Poroschenko nicht wiedergewählt werden, hat er das vor allem seinem eigenen Umfeld zu verdanken. Journalisten der Enthüllungsplattform bihus.info haben herausgefunden, dass der Sohn des stellvertretenden Chefs des Nationalen Sicherheitsrates in einen Korruptionsskandal verwickelt ist. So soll er mit Kumpanen Ersatzteile von Waffen aus Russland geschmuggelt und zu erhöhten Preisen in der Ukraine weiterverkauft haben. Dabei sollen 9 Millionen Euro in die Tasche korrupter Geschäftsleute gewandert sein. Immer weniger Menschen glauben, dass Poroschenko von alldem nichts gewusst hat.

Julia Timoschenko übt sich in Versprechungen. Sie will den Krieg beenden und gleichzeitig die russisch besetzte Krim und den Donbass zurückholen. Sie verspricht auch, die Kosten für Strom und Gas zu senken und die Ukraine in EU und Nato zu führen. Doch auch sie hat ein Vertrauensdefizit. Viele kaufen ihr die Versprechen nicht ab, denn sie erinnern sich daran, dass sie auch in ihrer Zeit als Ministerpräsidentin nicht allzu viel zustande gebracht hat.

Migranten und Studierende werden nur unter erschwerten Bedingungen an den Wahlen teilnehmen können. Sie müssen für beide Wahlgänge gesondert Wahlanträge mit Bescheinigungen vom Arbeitgeber oder der Universität vorlegen. Da Vermieter sich in der Regel scheuen, Mieter bei den Behörden zu melden, können viele jüngere Menschen nur bei den Eltern in der Provinz wählen gehen.

Obwohl in Russland geschätzt zwei Millionen Ukrainer leben, wird die Ukraine dieses Mal in ukrainischen Vertretungen in Russland keine Wahlurnen aufstellen. In Deutschland hingegen können UkrainerInnen ihre Stimme in den ukrainischen Vertretungen in Berlin, Düsseldorf, Hamburg, München und Frankfurt abgeben.

Bernhard Clasen