Das Private bleibt politisch

Können unsere Datenspuren unsere zukünftigen Lebenschancen beeinflussen, und was genau ist die DSGVO eigentlich? Ein Gespräch mit Ingo Dachwitz

Foto: Darja Preuss

Ingo Dachwitz arbeitet als politischer Journalist in Berlin und studierte Medien und politische Kommunikation. Er ist seit 2016 Redakteur bei netzpolitik.org.

Interview Vincent Bruckmann

taz am wochenende: Herr Dachwitz, wie steht es um unsere Daten? Muss man sich Sorgen machen?

Ingo Dachwitz: In den letzten 10 bis 15 Jahren sind personenbezogene Daten zu einer Ware geworden, zu einem Rohstoff, mit dem Verhalten vorhergesagt werden soll. Sind die Daten geschützt? Jein, es gibt die Datenschutzgrundverordnung (­DSGVO), aber der Run auf die personenbezogenen Daten hält an.

Viele haben von der DSGVO gehört, nur wenige wissen, was dahintersteckt. Was bringt sie den EU-Bürger*innen?

Die DSGVO ist eine Verordnung der EU, die seit 2018 EU-weit den Umgang und die Regeln mit personenbezogenen Daten festlegt. Die DSGVO verspricht den Nutzern, mehr Kontrolle über ihre Daten zu gewinnen.

Erfüllt sie dieses Versprechen?

Es ist zumindest ein erster Schritt. Vorher hatten die zuständigen Aufsichtsbehörden beispielsweise kaum Sanktionsmittel in der Hand, sodass Datenschutz bis dahin immer ein zahnloser Tiger war. Das ändert sich mit der DSGVO grundlegend.

Warum brauchen wir den Datenschutz überhaupt?

Wir verstehen langsam, was es bedeutet, dass immer mehr unseres Verhaltens in Datenform vorliegt und verarbeitet werden kann. Mit diesen Daten können Verhaltensprognosen gemacht werden. Das ist die Basis dieser Datenwirtschaft. Das Prinzip gibt es in der Kreditwirtschaft schon lange und hält Einzug in immer mehr Bereiche. Man berechnet dort, wie groß die Wahrscheinlichkeit ist, dass die Person ihre Kredite nicht zurückbezahlt. Unsere Datenspuren beeinflussen also unsere zukünftigen Lebenschancen.

Wie könnte das aussehen?

So, dass ich in mittlerer Zukunft mit Kreditkarte in einer Bar ein alkoholisches Getränk bezahle und diese Daten an meine Krankenkasse weitergeleitet werden, die dann meinen Ver­si­che­rungs­ta­rif anpasst. Wissen ist in unserer datengetriebenen Welt mehr denn je Macht. Beim Datenschutz geht es um einen Machtausgleich zwischen Organisationen, die Daten auswerten wollen, und Individuen, die Datenlieferanten sind und bisher keinen Einfluss auf die Lieferung hatten.

Wie kann man das Machtgefälle verschieben?

Nutzer*innen können durch ein Auskunftsrecht überhaupt erst einmal Unternehmen auf die Schliche kommen und nachvollziehen, wer welche Daten speichert. Parallel dazu wird erkannt, dass Datenschutz nicht die alleinige Antwort auf die Abhängigkeit von großen Playern wie Google und Facebook sein kann. Man muss an die Marktmacht der Datenkonzerne anknüpfen. Durch strategische Einkäufe sind sie in immer mehr Bereichen marktbeherrschend. Deshalb ist es wichtig, dass sich auch die Kartellbehörden diese Fälle vornehmen, wie es das Bundeskartellamt gerade bei Facebook getan hat.

Worum ging es dabei?

Facebook sammelt nicht nur auf seiner eigenen Plattform Daten. Laut Bundeskartellamt sollen die Nutzer*innen erst einwilligen müssen, bevor ihre Daten zusammengeführt werden. Das ist allerdings ein etwas kritischer Trend: Nutzer*innen sollen zu den Manager*innen ihrer Datenspuren werden. Sie müssen sich also im Detail damit auseinandersetzen, welche Daten fließen, wenn sie auf „Zustimmen“ klicken, und welche Konsequenzen das für die Zukunft hat. Das ist aber häufig schwer abzusehen. Es ist eine wohlmeinende Überforderung des Individuums.

Sie wollen mehr wissen? taz lab, Vortragsraum, 17.45 Uhr