Nach dem Rücktritt von Wagenknecht: Die Bewegung ist nicht tot

Sahra Wagenknecht tritt nach ihrem Rücktritt wieder auf die Bühne. Das gerät zu einer Selbstvergewisserung der linken Bewegung Aufstehen.

Porträt Wagenknecht

Sahra Wagenknecht am Donnerstag in Hamburg Foto: imago/news4HH

HAMBURG taz | Der Linken-Bundestagsabgeordnete Fabio de Masi bringt es auf den Punkt: Sahra Wagenknecht steht immer noch sehr gerade. Auf der Bühne des Hamburger Kulturzentrums Fabrik nimmt sie stehende Ovationen entgegen. Mindestens 800 Anhänger*innen der linken Sammlungsbewegung Aufstehen sind im Saal und für die, die draußen bleiben mussten, gibt es ein Public Viewing in einer Sportsbar.

Seit Wagenknecht ankündigte, nicht mehr für den Fraktionsvorsitz der Linken im Bundestag zu kandidieren und sich aus dem Vorstand von Aufstehen zurückgezogen hat, ist es ihr erster öffentlicher Auftritt. Davon, dass ihr jemand diesen Rückzug übel nehmen würde, ist im Saal nichts zu spüren. Das liegt auch daran, dass sie nicht den Eindruck erweckt, sich von dem Projekt zurückgezogen zu haben.

„Ich hatte immer die Vorstellung, wir müssen eigentlich die erreichen, die sich von den Parteien nicht angsprochen fühlen“, sagt Wagenknecht. Dabei geht sie davon aus, dass es „in der Bevölkerung eine Mehrheit für eine soziale Politik“ gibt, also für den höheren Mindestlohn, Renten über dem Sozialhilfesatz und für den sozialen Ausgleich. Trotzdem gebe es erstaunlicherweise keine Mehrheit für die linken Parteien. „Aufstehen ist das Projekt, hier neuen Schwung herein zu bringen“, sagt Wagenknecht.

Aufstehen hat neben de Masi und Wagenknecht den Hamburger Bürgerschaftsabgeordneten und ehemaligen SPD-Bürgermeisterkandidaten Mathias Petersen auf die Bühne gebracht, weil es am Ende nicht ohne ein parlamentarisches Bündnis gehen wird. Doch die Anhänger*innen von Aufstehen im Saal scheinen Wagenknechts und de Masis Botschaft so verstanden zu haben, dass der Druck von unten und aus der Gesellschaft kommen muss.

Erfrischende Unterhaltungen

„Wir brauchen eine Frau Wagenknecht nicht“, sagt Wolfgang Radtke von der Aufstehen-Gruppe Uelzen-Wendland. Wie die Medien den Rückzug Wagenknechts kommentiert hätten, findet er unterirdisch. „Diejenigen, die glauben, dass die Bewegung tot ist, werden sich noch wundern“, sagt Radtke. Jetzt sei die Basis gefordert.Ohnehin gebe es an der Spitze der Bewegung zu viele Berufspolitiker*innen, sagt sein Mitstreiter, der Unternehmer Gero Hoffmann. „Es ist sicher gut, wenn sich die linken Parteien verständigen, um etwas durchzusetzen“, sagt Hoffmann. „Es gibt aber ein viel breiteres Spektrum, das zusammengeführt werden kann“.

Eine Bewegung wie Aufstehen habe den Vorteil, so der Unternehmer, dass sie nicht das Spiel der Parteipolitiker*innen spielen und sich nicht nach der Presse ausrichten müssten: „Wir können uns erfrischend darüber unterhalten, wie wir das System verändern.“ Hoffmann plädiert zudem für einen „Reset“ und meint damit, dass jedem Neugeborenen ein Startkapital gutgeschrieben wird, das aus der Erbschaftssteuer finanziert werden soll.

Wie die Mieten bezahlbar werden und wie die Einkommensungleichheit zu bekämpfen wäre, hatte zuvor das Podium diskutiert. Bei der Publikumsrunde kamen die Gesundheitsversorgung, die Schüler-Klimaschutzaktion Fridays for Future und die Kitaplätze aufs Tapet. Am Ende brauche es parlamentarische Mehrheiten, um etwas verändern zu können, mahnte der Sozialdemokrat Mathias Petersen und warb dafür, in die SPD-Ortsvereine einzutreten, um sie auf einen neuen Kurs zu bringen.

„Ich glaube nicht, dass sich die SPD und Die Linke gegenseitig schwächen würden, wenn die SPD nach links rücken würde“, sagte Wagenknecht. Eine linke Perspektive, argumentierte sie, würde die Wähler*innen mobilisieren. Bisher sei es leider so: „Die, die unter der Politik leiden, gehen nicht zur Wahl – oder sie wählen rechts.“

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