EU-Mission steht vor dem Aus

„Sophia“ im Mittelmeer endet, weil niemand die Flüchtlinge aufnimmt

Von Christian Jakob

Die Ankündigung der EU, ihre Marinemission Sophia im Mittelmeer auszusetzen, hat am Mittwoch für Empörung gesorgt. Die EU beende ihren „Rettungseinsatz für Flüchtlinge“ war der Tenor vieler Medien. Das allerdings ist ein Missverständnis: Die Mission war 2015 von der EU aufgebaut worden, um die libyschen Schlepper mit militärischen Mitteln zu bekämpfen. Retten war nur eine Begleiterscheinung dieser Aufgabe.

Derzeit sind noch ein spanisches und ein italienisches Schiff, zwei Flugzeuge aus Polen und Luxemburg sowie zwei Hubschrauber aus Spanien und Italien für die Sophia-Mission im Einsatz. Die Bundeswehr hatte sich seit 2015 mit mehreren Einheiten beteiligt, im Februar 2019 aber die Fregatte „Augsburg“ abgezogen. Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) hatte Italien damals kritisiert: Das italienische Einsatzkommando habe die deutsche Marine in die entlegensten Ecken des Mittelmeeres geschickt. Dort habe es für sie nichts zu tun gegeben.

Hintergrund ist ein Konflikt um die Verteilung geretteter Flüchtlinge, der nun auch das vorläufige Ende der Mission bedeutet. Nach einer UN-Auswertung, die der taz vorliegt, wurden im zentralen Mittelmeer von Januar 2016 bis Juni 2018 – als Italiens neue Regierung die Häfen schließen ließ – 327.226 Menschen aus Seenot gerettet. Die Sophia-Schiffe nahmen davon 35.238 auf.

Das ist nur jeweils rund ein Drittel von dem, was die privaten NGOs oder die italienischen Behörden zu den Rettungen beitrugen. Gleichwohl bleibt die Frage, wohin Gerettete gebracht werden sollen. Nach den 2015 beschlossenen Einsatzregeln sollten diese automatisch nach Italien gebracht werden. 2017 hatte Italiens Regierung mit einem Veto gegen die Fortführung der Mission gedroht, war aber eingeknickt.

Die 2018 ins Amt gekommene Lega-Regierung aber hatte klargemacht, dass sie keine Sophia-Schiffe mit Flüchtlingen mehr in ihre Häfen lassen werde. Auf einen anderen Aufnahmemodus konnten sich die EU-Staaten aber auch nicht einigen.

Ursprünglich war geplant, dass die Sophia-Einheiten das Waffenembargo gegen Libyen überwachen und in dem Land selbst gegen die Schlepper vorgehen. Das aber verhinderte Libyens Parlament. Stattdessen übernahmen die Sophia-Einheiten ab Februar 2017 die Ausbildung der libyschen Küstenwache. Und die begann rund ein halbes Jahr später, Flüchtlinge auf dem Meer aufzuhalten und nach Libyen zurückzubringen.

Am 31. März soll die Sophia-Operation auf See nun vorerst eingestellt werden. Für die kommenden sechs Monate beschränkt sich die Arbeit der Mission auf Luftüberwachung und die weitere Ausbildung der libyschen Küstenwache. Die Route über das Mittelmeer wird damit gefährlicher werden. Denn Italien hat auch dafür gesorgt, dass kaum noch private Rettungsschiffe in der Region im Einsatz sind.

Der Verband Deutscher Reeder (VDR) befürchtet, dass „angesichts der Handlungsunfähigkeit der Europäer“ nun vermutlich wieder verstärkt die Besatzungen von Handelsschiffen in Seenot geratene Menschen retten müssen. Nach internationalem Recht sind sie dazu verpflichtet.