Kommentar Deutsche Rüstungsexporte: Nicht gerade verantwortungsvoll

In der Debatte über Waffenlieferungen aus der EU knickt Deutschland ein. Das zeugt weniger vom europäischen Geist als von der Nähe zur Industrie.

Macron und Merkel sitzen nebeneinander

Wer keine Waffen verkauft ist uneuropäisch? Foto: ap

Am Ende hat die Bundesregierung klein beigegeben: Die deutsche Rüstungsindus­trie darf wieder mit europäischen Partnerunternehmen an Waffen arbeiten, die für den Export nach Saudi-Arabien bestimmt sind – trotz Menschenrechtsverletzungen und Jemenkrieg. Die Partner will man zwar höflich darum bitten, die Produkte vorerst nur zusammenzuschrauben und noch nicht auszuliefern. Schlussendlich kann die Regierung den Export aber auch nicht mehr verhindern.

Diese Entscheidung hatte sich abgezeichnet. Die Regierungen in Paris und London, die bei Waffenlieferungen noch weniger Skrupel haben als die in Berlin, haben wochenlang Druck aufgebaut. Der Tenor: Deutschland verhalte sich unzuverlässig und uneuropäisch, wenn es einzelne Exporte gemeinsamer Rüstungsgüter verhindere. Koalitionspolitiker in Berlin übernahmen diese Deutung. Und am Ende musste sich nicht mehr rechtfertigen, wer noch mehr Hightechwaffen in eine Krisenregion liefern möchte, sondern wer dies im Sinne einer verantwortungsvollen Außenpolitik unterbinden will.

Und das war nur ein Vorgeschmack. Die europäische Rüstungsindustrie steht vor einer Konsolidierung. Die EU-Länder wollen künftig stärker an gemeinsamen Rüstungsprojekten arbeiten, anstatt in Kleinstaaterei zig verschiedene Waffensysteme zu bauen. Deutschland will zum Beispiel mit Frankreich einen neuen Kampfpanzer und ein neues Kampfflugzeug entwickeln. Das ist grundsätzlich eine gute Idee, weil durch Skalengewinne die Effizienz steigt. Mit jedem neuen Gemeinschaftsprojekt wird sich die Frage nach der gemeinsamen Export­regulierung aber neu stellen.

Und wie es aussieht, wird sich dabei das aktuelle Narrativ wiederholen: Wer kein Antieuropäer sein will, muss seine Exportschranken nach unten anpassen – und menschenrechtsbasierte Kriterien aufgeben.

Dass die CDU auf diese Erzählung einsteigt, ist so erwartbar wie unglaubwürdig. Wer die europäische Integration wirklich vorantreiben möchte, hätte dazu abseits der Rüstungspolitik ausreichend Gelegenheit. Die Regierung Macron hat genug Vorschläge unterbreitet, von der Digitalsteuer bis zum europäischen Mindestlohn. Kanzlerin Merkel antwortete aber noch nicht mal öffentlich, sondern schickte die neue CDU-Chefin Kramp-Karrenbauer vor, die dann keinen der französischen Vorschläge ernsthaft aufgriff. Mit Verweis auf Europa jetzt Waffenexporten nach Saudi-Arabien zuzustimmen zeugt bei der Union weniger von europäischem Geist als eher von traditioneller Nähe zur Rüstungsindustrie und Geringschätzung moralischer Argumente in der Außenpolitik.

Bestehende Abmachungen einhalten

Anders liegen die Dinge bei der SPD, die die Forderung nach einem Rüstungsexportstopp in den Koali­tions­vertrag verhandelt hatte und der man hier zumindest ein Mindestmaß an Überzeugung unterstellen darf. Trotzdem gab sie sich unter den Vorwürfen Frankreichs und Großbritanniens zerknirscht, statt dem Vorwurf der Unzuverlässigkeit und der mangelnden Integrationsbereitschaft zu widersprechen.

Das ist unklug, den eine andere Erzählung wäre ja möglich: Deutschland war nicht der einzige EU-Staat mit einem Exportstopp für Saudi-Arabien, auch andere setzten ihre Lieferungen aus. Das EU-Parlament fordert sogar mehrheitlich ein unionsweites Moratorium. Und der Gemeinsame Standpunkt des EU-Rats für Rüstungsexporte, dem Frankreich und Großbritannien einst zugestimmt haben, verbietet Exporte in Staaten, die das humanitäre Völkerrecht brechen.

Die Debatte über europaweit verbindliche Exportrichtlinien wird noch schwierig genug. Wer sie im Sinne einer menschenrechtsorientierten Politik gewinnen möchte, sollte schon jetzt die Einhaltung bestehender Abmachungen einfordern und Partner in Europa an sich binden. Wer sich aber stattdessen für eine besonnene Exportpolitik entschuldigt, hat schon jetzt verloren.

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Geboren 1988, arbeitet seit 2013 für die taz. Schreibt als Parlamentskorrespondent unter anderem über die Grünen, deutsche Außenpolitik und militärische Themen. Leitete zuvor das Inlandsressort.

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