Neuer Aufenthaltsort für Obdachlose: Zaun, Betonbänke, Dixi-Klo

Ein neuer „Szenetreff“ soll Obdachlose und Junkies vom Bremer Hauptbahnhof weglocken. Die Sozialsenatorin findet die Aufenthaltsqualität „ausbaufähig“.

Menschen stehen in einem eingezäunten Bereich in der Nähe des Bremer Hauptbahnhofs.

Sichtschutz und Toilette fehlen noch: neuer Szenetreff am Bremer Hauptbahnhof Foto: jpb

BREMEN taz | Es gibt Anlässe, da fallen einem diese Sätze ein, die zwar abgedroschen sind, aber ab und an doch wieder passen. Etwa der, dass etwas gut gemeint ist, aber nicht immer gut gemacht.

Bei der Einweihung des neuen „Szenetreffs“ für Wohnungslose, Suchtkranke und Hilfsbedürftige in der Nähe des Hauptbahnhofes zum Beispiel, da passt der Spruch. Auf einem kleinen Dreieck – halb unter die Fahrradbrücke und neben den stark befahrenen Gustav-Deetjen-Tunnel gequetscht – sollen sich diejenigen wohlfühlen, die sonst an den Haltestellen rumhängen und anscheinend Fahrgäste stören.

Ein zwei Meter hoher Zaun aus robustem Doppelstabmatten-Gitter umgrenzt den neuen Treffpunkt, damit niemand auf die Straße stolpert. Vorn noch ein Dixi-Klo, hinten ein paar Bänke, einige in Betonfassung unter der Fahrradbrücke installiert. Schutz vor Wind und Wetter bietet das kaum.

„Das Dach ist die Brücke“, sagt dazu Bertold Reetz, Bereichsleiter für die Wohnungslosenhilfe bei der Inneren Mission. Dass unbedarfte Betrachter womöglich anderes erwarten als Bänke unter einer Brücke hinter einem Metallzaun, wird in den Reden adressiert.

„Die Aufenthaltsqualität ist ausbaufähig“, sagt Sozialsenatorin Anja Stahmann (Grüne), „wir hätten gern einen anderen Platz gehabt“, sagt Reetz. Geplant worden sei seit 2016, nur am Bahnhof, nirgendwo anders sei Platz gewesen, sagt er.

Streetworker Jonas Pot d'Or über das Urteil seiner Klienten über den neuen Szenetreff

„Viele sind skeptisch“

Enger geworden ist es zuletzt – sozial wie geografisch. 5.500 Quadratmeter enger, wenn man es genau wissen will. Denn auf dieser Fläche entstand gegenüber dem Bahnhof der Neubau-Komplex namens „City Gate“, in dem kürzlich erste Geschäfte eröffneten.

Seit Mai 2018 hat die Polizei ihre Präsenz verstärkt, im September stellten Bürgermeister und Innensenator das „Programm für mehr Sauberkeit, Sicherheit und Aufenthaltsqualität am Bahnhof“ vor. Zusätzliche Videokameras wurden installiert, der Kon­trolldruck erhöht. „Gegen die Vermüllung am Bahnhof, das Verrichten der Notdurft in der Öffentlichkeit, Trinkgelage oder das Campieren auf öffentlichen Flächen soll konsequent vorgegangen werden“, teilt der Senat mit.

Willkürliche Platzverweise

Dass es dabei zu willkürlichen Platzverweisen gekommen sei und sie verdrängt würden, kritisierten Obdachlose. Innen-Staatsrat Thomas Ehm­ke (SPD) widersprach in der Bürgerschaft: „Die Bremer Polizei geht nicht grundlos gegen Menschen vor.“

Durchaus mehr Leute würden weggeschickt als die eigentlichen Übeltäter, sagt hingegen auch Streetworker Jonas Pot d’Or am Montag. Ändert das der neue Treff? „Viele sind skeptisch“, berichtet Pot d’Or. Gleichwohl: Er sieht einen Anfang, einen Ort immerhin in der Nähe des Hauptbahnhofes.

Ganz so soll der Treff auch nicht bleiben: Ein Sichtschutz wird auf Wunsch der NutzerInnen noch installiert, eine behindertengerechte öffentliche Toilette vom Hugo-Schauinsland-Platz hierher verlegt und das Dixi-Klo ersetzen.

Geld aus dem Sauberkeits-Programm

120.000 Euro kamen dafür vom Sozialressort – auch die aus dem Topf des Sauberkeits-Programms. Die SozialarbeiterInnen werden auf insgesamt dreieinhalb Stellen aufgestockt, erklärte Sozialsenatorin Stahmann. Laut Reetz zahlt die Innere Mission 30 Stunden, eine Stelle finanziert die Aktion Mensch in den nächsten drei Jahren. Stahmann verwies zudem auf den Tagestreff „Café Papagei“ und die Drogenberatungsstelle „Comeback“ in nächster Nähe.

Echte Unterstände für Obdachlose gibt es bereits in Gröpelingen, am Lucie-Flechtmann-Platz in der Neustadt soll ein weiterer entstehen. Hinter dem Hauptbahnhof stellte die BSAG zudem im Januar einen Wärmebus zur Verfügung.

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