Hajo Schiff
Hamburger Kunsträume
: Kunst muss schielen

Die revolutionären Umbrüche waren besonders für das Bildungswesen fruchtbringend: Wie die Uni kann auch die Hamburger Volkshochschule dieses Jahr ihren 100. Geburtstag feiern. Was im Juni 1919 mit 25 Kursen begann, ist heute ein Bildungskonglomerat mit 8.000 Angeboten, darunter etliche Kunstkurse. Zum Jubiläum werden in der Mietgalerie „Barlach Halle K“ mit Zeichnungen, Malereien, Installationen, Skulpturen und Fotoarbeiten 42 Künstler*innen präsentiert, die auch als Dozent*innen für die VHS arbeiten.

So lässt sich noch bis zum 12. April ein guter Überblick über die Vielfalt des Teils der Kunstszene gewinnen, der sich in unmittelbar persönlicher Kunstvermittlung abmüht und technische Fertigkeiten, produktive Freiräume und künstlerische Begeisterung an Hamburger Bürger weitergibt.

Einen Raum weiter nebenan am Klosterwall geht es am Montagabend ganz international zu: Im Kunsthaus spricht Catherine David, ehemalige Documenta-Leiterin und derzeitige stellvertretende Direktorin des Musée national d’art moderne – Centre Georges Pompidou in Paris mit dem indisch-bengalischen Künstler Goutam Ghosh über seine Arbeiten, über die Bedeutung von Magie und Animismus in der Kunst und kulturelle Unterschiede im „Globalen Süden“.

Das passt zu einem Künstler, der außer in Indien auch in Oslo studiert hat. Denn mag die lockere Wasserfarben- und Kreide-Notation seiner Bilder an unbestimmte, Naturstimmungen beschreibende Momente sowie Westkunstnamen wie Per Kirkeby oder Cy Twombly erinnern, bezieht sich Goutam Ghosh selbst lieber spiritueller auf alte tantrische Konzepte, die seit Jahrhunderten auch eine Meditation durch abstrakte Malerei kennen.

Angesichts so verschiedener Begründungszusammenhänge wird es immer schwerer, Kunst zu beurteilen. Das wird einen Montag später am 15. April in der „Freien Akademie der Künste“ bedacht: Auf dem Podium machen sich Nora Sdun vom Textem-Verlag und Kunstgeschichtsprofessorin Monika Wagner, Arie Hartog, Direktor des Gerhard-Marcks-Hauses in Bremen, und Hanno Rauterberg vom Zeit-Feuilleton Gedanken um die Frage nach verbindlichen Qualitätskriterien in der bildenden Kunst und nach denjenigen, die so etwas setzen könnten.

Das gewählte Motto lässt ahnen, dass das nicht ganz ohne Humor zu leisten ist: „Gute Kunst muss schielen“.