Moritz Döring
Der Wochenendkrimi
: Trotz totem Jogger im Wald und Smartphonesucht – ein Krimi ohne Plattitüden

Denkt an was anderes: Katrin König (Anneke Kim Sarnau) Foto: Christine Schroeder/ndr

Mit einem Blick auf das Handy vergewissert sich Kriminalhauptkommissarin Katrin König (Anneke Kim Sarnau) noch ein letztes Mal. Die Dating-App ist noch offen. Ein Typ lächelt sie auf dem Bildschirm an. „Karsten“, streckt er ihr im nächsten Moment lächelnd die Hand entgegen. Viel mehr haben sich die beiden dann aber doch nicht zu sagen, und so endet ihre Liason nach wenigen Minuten bereits wieder.

Für König geht die Suche damit weiter: nicht nach einem Täter, das natürlich auch, schließlich liegt am nächsten Morgen ein toter Jogger im Wald. Polizeiarbeit erledigt die Kriminalbeamtin auf Partnersuche vorerst jedoch nur nebenbei. Die nächsten anderthalb Stunden swipet sie sich munter durch Rostock und Umgebung.

Als sie selbst hinter der polnischen Grenze in einer freien Sekunde das Smartphone zückt, um mal eben kurz noch die Nachrichten ihrer Dates zu checken, wird es ihrem Kollegen Bukow (Charly Hübner) dann endgültig zu viel. „Sag mal, geht’s noch“, blökt er sie an, „kannst du mal mitdenken?“ Bukow ist nicht besonders gut drauf; er ist nicht nur beruflich in den Fall verstrickt: Sohn Samuel (Jack Owen Berglund) hält gerade wenig von väterlicher Fürsorge und ist abgehauen. Er hilft seinem Freund Keno (Junis Marlon) bei der Flucht aus einer Einrichtung für betreutes Jugendwohnen, dessen Leiter sich ausgerechnet als der tote Jogger im Wald herausstellt. Ihr Weg soll sie zu einem Freund Kenos führen, den die Betreuungseinrichtung an eine polnische Pflegefamilie vermittelt hat.

In Polen sitzt Bukow ratlos im Auto: Im Fall geht es nicht weiter und Samuel reagiert nicht auf seine Anrufe. Gereizt faucht er seine smartphonesüchtige Kollegin an, nur um im nächsten Moment selber das Handy hervorzuziehen und in die gähnende Leere des Bildschirms zu starren. Lars Jessens „Kindeswohl“ erzählt nicht nur von einem Kriminalfall. Der Film verwebt digitale Medien und Jugendamtsbürokratie miteinander zu einer Geschichte von fehlgeschlagener Kommunikation und unterkühlten menschlichen Beziehungen. Das Handy als immerwährende Ablenkung vom realen Geschehen zieht sich so durch die ganze Geschichte.

Mit Dating-Apps kann Bukow so wenig anfangen wie mit der Vermittlung von Pflegekindern nach Polen. Und trotzdem gerät er mit beidem unfreiwillig in Berührung. Zum Glück gerät das Handymotiv nicht zur platten, plakativen Gesellschaftskritik. Es funktioniert als ergänzendes Element, ohne die Krimihandlung zu überschatten.

Polizeiruf: „Kindeswohl“, So., 20.15 Uhr, ARD