Meilenstein oder Mühlstein?

Die Koalition beschließt beitragsfreies Mittagessen an Grundschulen. Teils gibt es aber noch gar keine Mensen

Soll es bald kostenlos geben: Schulessen für die Grundschüler Foto: Martin Magunia/Joker

Von Stefan Alberti

Aus der Ankündigung ist ein Gesetz geworden: Wie von der SPD angeregt, hat die rot-rot-grüne Koalition im Abgeordnetenhaus ein beitragsfreies Mittagessen für alle Schüler der ersten sechs Klassen zum neuen Schuljahr 2019/20 beschlossen. Torsten Hofer (SPD) lobte diesen Schritt als „sozial- und bildungspolitischen Meilenstein“. Auch die Grünen-Fraktion sah „richtig gute, moderne Sozialpolitik“. Für die CDU kommt der Meilenstein eher einem Mühlstein gleich, weil teils die Voraussetzungen und Grundinformationen fehlen würden. Hinter vorgehaltener Hand gibt es auch in der Koalition Kritik an der Umsetzung.

Das Schulessen, für das Eltern nichts zuzahlen müssen, ist laut SPD-Mann Hofer Teil eines Entlastungspaket für Familien, zu dem auch freie Fahrt in Bussen und Bahnen zum neuen Schuljahr gehört. Dadurch werde eine Familie mit zwei Grundschulkindern monatlich um 100 Euro entlastet, sagte Hofer, was sich im Jahr auf 1.200 Euro summieren würde.

Für die CDU-Fraktion kritisierte ihre bildungspolitische Sprecherin Hildegard Bentele zweierlei: dass die Koalition den Eltern nicht zutraue, „ihren Kindern 3,50 Euro fürs Essen oder eine Stulle mitzugeben“ oder sie dabei unterstütze. Und zum anderen, dass wesentliche Fragen nicht geklärt seien, wie das Ganze praktisch laufen soll.

Erst tags zuvor hatte sich der Verband der Grundschulen mit einem offenen Brief an die Bildungspolitiker gewandt. Er unterstützt zwar ein Schulessen, befürwortet aber eine schrittweise Einführung. Denn an vielen Schulen würden Räume oder Personal oder beides fehlen.

„Ich kann mir auch vorstellen, Container aufzustellen“

Regina Kittler, Linkspartei

Das bestritt auch Regina Kittler, die Bildungsexpertin der Linksfraktion, nicht. Sie drängte darauf, Mensen auszubauen – „und wenn das in den Schulen nicht möglich ist, dann muss man kreativ sein“. Sie führte aus, was sie darunter versteht: „Ich kann mir auch vorstellen, Container aufzustellen.“ Als Alternative nannte sie, dass die Grundschüler das Schulgelände verlassen und in geeigneten Räumen im Umfeld essen, etwa in einem Stadtteilzentrum.

Während sich SPD, Linkspartei und Grüne in ihren offiziellen Reden einig zeigten, ist sonst auch anderes zu hören. Noch nicht mal hinter den Kulissen, sondern ganz offen in einem Pressegespräch hatte die grüne Fraktionschefinnen Silke Gebel und Antje Kapek Anfang März die Umsetzung beim Schulessen kritisiert. Sie wollten bisherige Beschlüsse nicht aufheben, die Beitragsfreiheit aber nicht dar­über hinaus ausweiten. Weder Gebel noch Kapek nannten dabei explizit die SPD beim Namen, machten aber klar, dass sie auf die Politik des Koalitionspartners zielen, der Bildung gern grundsätzlich beitragsfrei machen und ganz aus dem Landeshaushalt bezahlen will.

Hintergründiger klang von den SPD-Koalitionspartnern durch, man hätte der Finanzierung des Projekts aus dem Haushaltsüberschuss von 2018 vor Monaten schon nur wegen einer Zusage der SPD-geführten Bildungsverwaltung zugestimmt, dass alles gut vorbereitet werde.