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: Floskeln und ihren Folgen

Der Überfall ist ein „Blutbad“, irgendwer „räumt“ ständig etwas ein, und wie viele Menschen schon „das Handtuch geworfen“ haben in Texten, ist nicht in Zahlen auszudrücken. Abgenutzte Phrasen und schiefe Wortbilder tauchen zuhauf in den Medien auf. So auch mitunter in der taz.

In der Mittwochsausgabe schrieben wir in der Bildunterschrift auf Seite 5 von einer Frau, die „an den Rollstuhl gefesselt“ sei. Es ging um die 85-jährige Ingrid Mill­gramm, die vom Landgericht Memmingen wegen Diebstahls zu einer Haftstrafe verurteilt wurde und zur Verhandlung im Rollstuhl erschien. Gefesselt? Rollstühle sind, jedenfalls in der Regel, kein Fetisch-Spielzeug und auch kein Folterinstrument, sondern ein Gerät, dass gehbehinderten Menschen Mobilität und Teilhabe ermöglicht. Rollstühle sind in der Vergangenheit immer ausgefeilter geworden; es gibt robuste Exemplare und es gibt leichte, sportliche Geräte, mit denen man schnell unterwegs sein kann und die problemlos im Kofferraum eines Autos verschwinden.

Der Begriff „gefesselt“ klingt nach Opfer und Schicksal. So wurden Menschen mit Behinderungen auch lange Zeit gesehen. Vermeintlich normale Alltagsbegriffe, die in Wirklichkeit Menschen diskriminieren, sind zahlreich in unsere Sprache eingesickert – auch in der taz. Bei einigen Begriffen ist uns klar, dass wir diese nicht mehr verwenden wollen, weil sie eine verächtliche Haltung Menschen gegenüber zeigen, die wir nicht teilen. Bei anderen gilt: Mehr Bewusstsein, darüber zu schaffen, welche Zuschreibung dahintersteckt. (taz)