Rechtsrock und Kampfsport als Anziehungspunkt

Auch in Deutschland treffen sich Neonazis zu Rockkonzerten. Behör-den entwickeln Gegenstrategien

Die Planungen stehen längst: Ende Juni will die rechtsextreme Szene wieder im sächsischen Ostritz zusammenkommen, zum „Schild & Schwert“-Festival, organisiert von NPD-Mann Thorsten Heise. Frontalkraft, Radikahl oder Kategorie C heißen die Bands, die dann auftreten sollen – allesamt Szenegrößen. Ein „unvergessliches“ Wochenende soll es werden, tönen die Veranstalter.

Tatsächlich droht das Konzert zumindest das nächste Großevent der rechtsextremen Szene zu werden. Bereits im März traf sich diese in Ostritz, unweit der polnischen Grenze, zu einem Konzertabend: 500 Neonazis reisten an. Am Ende bedrängten diese auch Journalisten, die Polizei musste einschreiten.

Damit ist die Rechtsrocksaison in diesem Jahr eröffnet. Zuletzt schaffte es die rechtsextreme Szene, mehrere Großkonzerte zu organisieren. 178 Konzerte und Liederabende zählten die Sicherheitsbehörden im vergangenen Jahr, die größten davon in Thüringen und Sachsen. Den Höhepunkt gab es schon im Jahr zuvor: ein Festival im Thüringischen Themar, mit 6.000 Neonazis – das größte Szenekonzert, das in der Bundesrepublik stattgefunden hat. Bis spät in die Nacht hallten damals „Heil“-Rufe aus einem Großzelt. Ein Privatmann hatte den Rechtsextremen sein Grundstück überlassen.

Für die Szene war Themar wie ein Erweckungserlebnis. Zuvor hatte diese jahrelang auf Großaufmärsche, etwa in Dresden, gesetzt – die sich durch Gegenproteste aber nach und nach totliefen. Die Szene zog sich zurück. Mit den Rechtsrockfestivals schaffen sich die Neonazis nun neue Kristallisationspunkte.

Die Behörden schauten lange zu. In Ostritz ist es ein früherer NPD-Mann, der sein einstiges Hotelgelände der Szene zur Verfügung stellt, mal für „Privatveranstaltungen“, mal für politische Kundgebungen. Letzteres funktionierte auch anderswo: Die Neonazis ließen ein paar Redner auftreten, dann die Bands spielen – und nutzten so das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit. Als Kommunen juristisch dagegen vorgingen, unterlagen diese vor Gericht.

Zuletzt aber gelangen den Behörden Erfolge. So verhinderte Thüringen vergangenen Spätsommer ein Großkonzert in Mattstedt mit 3.000 Rechtsextremen – wegen unklarer Eigentumsverhältnisse des Grundstücks. Anfang ­April gründete das Land eine eigene „Taskforce“ nur für Rechtsrockkonzerte: Versammlungsbehörde, Polizei und Innenministerium sollen sich künftig hier abstimmen. Innenminister Georg Maier (SPD) hatte schon zuvor einen „Kampf gegen Rechtsrock“ ausgerufen.

Noch aber organisiert die rechtsextreme Szene weiter Konzerte. Bereits für kommenden Samstag rufen Neonazis konspirativ zu einem Musikabend in „Mitteldeutschland“ auf, auch hier mit einer beliebten Szeneband: Kraftschlag. NPD-Mann Thorsten Heise wiederum will vor seinem „Schild & Schwert“-Wochenende im Juni ein weiteres Festival abhalten, den „Eichsfeldtag“ im Mai in Thüringen. Und einen Monat später wollen sich auch in Themar wieder mehr als eintausend Neonazis zu den „Tagen der nationalen Bewegung“ treffen, mit diversen Rechtsrockgrößen.

Die Neonazis haben eine weitere Spielwiese entdeckt: den Kampfsport. Vor allem die „Kampf der Nibelungen“-Turniere, organisiert von dem Dortmunder Alexander Deptolla, finden zunehmend Zulauf. Zur letzten Auflage im Herbst 2018, ebenfalls in Ostritz, kamen 700 Zuschauer. Für dieses Jahr sucht Deptolla eine Halle für 1.000 Besucher. Die Ansage der „Nibelungen“-Kämpfer ist klar: Es gehe darum, dem „System der Versager, der Heuchler und der Schwächlinge den Rücken zu kehren“.

Die Bundesregierung ist in Sorge. Mit dem Kampfsport habe sich die Szene „eine weitere ‚rechte‘ Erlebniswelt“ geschaffen, teilte diese jüngst auf eine Anfrage der Grünen mit. Vor allem junge Männer unter 25 Jahren würden davon angezogen. Zu befürchten sei, dass „die Professionalisierung von Rechtsextremisten im Kampfsport für Auseinandersetzungen auf der Straße mit dem politischen Gegner oder der Polizei genutzt wird“.

In Ostritz sind beim nächsten „Schild & Schwert“-Festival erneute Ausschreitungen nicht auszuschließen. Ein Sprecher der zuständigen Polizei Görlitz versicherte der taz, es werde auch diesmal „die ungeteilte polizeiliche Aufmerksamkeit der Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit gelten“.

Konrad Litschko