Wer trinkt, fährt in Hamburg gratis Bahn: Strittiger Filz

Bierdeckel als Gratis-Fahrschein: Das ist die Idee hinter einer PR-Aktion in Hamburg. War da nicht was mit dem deutschen Alkoholkonsum?

Screenshot: Bierglas und Werbesolagen "Eins noch. Aber dann ist Bus!"

Ansporn zum Saufen? Wer Astra-Bier trinkt und den Deckel mitnimmt, fährt gratis Foto: Astra/HVV

HAMBURG taz | Die Geschichte geht los mit ungleichen Verhältnissen: Wer hinreichend flüssig war, also: mit Geld jetzt, trank seit dem 18. Jahrhundert sein Bier aus einem Behältnis mit Deckel aus Zinn oder Silber. Der Rest? Musste sich etwas einfallen lassen, um das Getränk frei zu halten von Insekten oder herabfallendem Laub. Auftritt Bierfilz, wie die Lösung dieses Problems bis heute in manchen Regionen heißt.

Kommt der Deckel, unters Glas gewandert, längst aus Pappe daher, war anfangs echter Filz im Spiel, also nicht gewebtes textiles Material. Bloß: Wie soll denn auf so was ein Wirt die gelieferten Getränke und gelieferten Speisen notieren – eine Urkunde im Sinne von Paragraf 267 Strafgesetzbuch? Wie eine Steuererklärung darauf verfertigen, was der sauerländische Politfuchs Friedrich Merz einst als Innovation durchs Dorf zu treiben verstand?

Hätte der Beinahe-CDU-Vorsitzende sich halt ein anderes Symbol suchen müssen für seine Vereinfachungsvorschläge. Zum Beispiel einen Fahrschein für die Hamburger U-Bahn? Der dortige Verkehrsverbund, der HVV, hat gerade mit einer PR-Aktion auf sich aufmerksam gemacht: „Astra Abfahrt – das erste Bier mit eingebrauter HVV-Fahrkarte“. Wer zwischen dem 26. April und dem 4. Mai das avisierte Getränk ordert, fährt gratis nach Hause, wenn er denn den Bierdeckel dabei hat.

Gemeint ist das nicht als Ausschankankurbelung für die örtliche Marke Astra, deren neue Tränke an der Reeperbahn aufsuchen muss, wer in diesem Sinne abfahren will. „Getreu unserem Motto ,Komm gut nach Hause'“, so zitierte der Branchendienst Horizont HVV-Kommunikationsfrau Yvonne Behrens, wolle man vielmehr, „dass Nachtschwärmer und Kiezgänger wieder gut nach Hause kommen“.

Bloß: Wie jede Botschaft lässt sich auch diese anders lesen: „Schädlich und kontraproduktiv“ nennt die Hamburgische Landesstelle für Suchtfragen die Aktion. Eben erst habe die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen im „Jahrbuch Sucht“ dargelegt, dass Deutschland ganz oben dran sei beim Alkoholkonsum pro Kopf, auf den etwa 74.000 Todesfälle im Jahr zurückgingen. Und der HVV? Belohne nun das Biertrinken.

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