Fast nur warme Worte

Hamburg darf nun doch das Fernwärmenetz von Vattenfall zurückkaufen. Senat kündigt umfassende und rasche Wärmewende an

„Das Anlagenkonzept der Stadt wird klimafreundlich, versorgungssicher und kostenstabil sein“

Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne)

Von Sven-Michael Veit

Um große Worte selten verlegen sind Hamburgs Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) und der grüne Umweltsenator Jens Kerstan. „Wie vom Volk beschlossen – wir sind bereit“, verkündete Dressel am Mittwoch im Rathaus; „versprochen, geliefert“, ergänzte Kerstan. Die Rekommunalisierung des Fernwärmenetzes hat die letzte Hürde genommen. Denn die EU-Kommission hat mitgeteilt, dass der Rückkauf „beihilfefrei und marktkonform“ sei. Deshalb könne der Kauf der Wärmegesellschaft vom schwedischen Energiekonzern Vattenfall rückwirkend zum 1. Januar 2019 vollzogen werden, so Dressel. Die Prüfung der EU-Kommission hat den Rückkauf um etwa ein halbes Jahr verzögert.

Damit kann Hamburg den Volksentscheid vom September 2013 im dritten Schritt vollständig umsetzen. Das Stromnetz wurde bereits 2015 für 610 Millionen Euro von Vattenfall und das Gasnetz 2017 für 275 Millionen Euro von Eon Hanse zurückgekauft. Die Stadt hatte in den 1990er-Jahren die drei städtischen Versorgungsunternehmen privatisiert.

Zudem hatte Hamburg bereits für 325 Millionen Euro 25,1 Prozent an der Fernwärmegesellschaft erworben. Für die restlichen drei Viertel werden noch einmal 625 Millionen Euro fällig – trotzdem ein gutes Geschäft, versichern die Senatoren: „Die Stadt gewinnt die energiepolitische Gestaltungsfreiheit zurück“, frohlockt Kerstan.

Mit der Hoheit über das Fernwärmenetz in der neu zu gründenden Wärme Hamburg GmbH könne die Stadt den Ausstieg aus der Kohle und den Umbau zu einer ökologischen Wärmeversorgung organisieren, glaubt Kerstan. „Unmittelbar steht jetzt die Ablösung des Kraftwerks Wedel an.“ Das rund 60 Jahre alte Kohlekraftwerk versorgt rund 120.000 Haushalte in Hamburgs Westen mit Wärme – aus Steinkohle.

Kerstan will es möglichst rasch stilllegen. „Unser Ziel ist immer noch die Heizperiode 2023.“ Dann soll ein Mix aus der Nutzung industrieller Abwärme und Müllverbrennung sowie ein neues Gaskraftwerk und ein neuartiger Tiefen-Wärmespeicher auf der Dradenau im Hafen Ersatz liefern und die „Wärmewende“ einleiten. Das Kohlekraftwerk Tiefstack soll „zwischen 2025 und 2030“ auf Erdgas umgerüstet werden“, so Kerstan. „Spätestens 2030 wird die Hamburger Wärmeversorgung kohlefrei sein“, verspricht er.

Wenn man vom Kohlekraftwerk Moorburg absieht. Aber das gehört weiterhin Vattenfall und produziert ausschließlich Strom, der Anschluss des Meilers an der Süderelbe an das Wärmenetz sei nicht vorgesehen: „Das Anlagenkonzept der Stadt wird klimafreundlich, versorgungssicher und kostenstabil sein“, verspricht Kerstan.

Über die notwendigen Investitionen für die Wärmewende in Hamburg wollten beide Senatoren nicht spekulieren. Die Ausschreibungen würden demnächst gestartet, da verbiete es sich, Preisvorstellungen zu verbreiten. „Es wird aber nicht ein Vielfaches des Gesamtkaufpreises sein“, sagte Kerstan nur. Fest stehe aber, betonten beide, dass die Preisentwicklung für die Wärmekunden künftig nicht über der anderer Energieträger liegen solle. Diese „Preisgarantie“ sei „unsere oberste Maxime“, versprach Dressel.

Auch Vattenfall begrüßte die Entscheidung der Kommission. „Das gemeinsame Ziel ist unverändert die zügige Übertragung der Fernwärmegesellschaft“, sagte Deutschland-Chef Tuomo Ha­takka. Mit der Entscheidung der EU-Kommission werde eine rechtssichere Übertragung des Fernwärmegeschäfts auf die Stadt Hamburg erreicht. Hatakka kündigte an, dass die „partnerschaftliche“ Zusammenarbeit mit der Stadt zur Übertragung des Unternehmens nun fortgesetzt werde.

Von einem „Meilenstein für die Energiewende in Hamburg“ sprach Manfred Braasch, Landesgeschäftsführer des BUND und Vertrauensmann der Initiative „Unser Hamburg – Unser Netz“, die 2013 den Volksentscheid durchgesetzt hatte. „Ohne Vattenfall als Bremsklotz kann die Fernwärme nun konsequent für mehr Klimaschutz umgebaut werden“, so Braasch.

Die Stadt sei nun in einer Win-win-Situation, kommentierte Stephan Jersch, Umweltpolitiker der Linksfraktion in der Bürgerschaft: „Die Energiewende liegt jetzt in ihrer Hand, die Preise können sozial gestaltet werden, die Beschäftigten haben größere soziale Sicherheit“, lobte er. Unzufrieden bleibt hingegen CDU-Umweltpolitiker Stephan Gamm: „Die heutige Entscheidung ist schlecht für unsere Stadt und bringt die Hamburger Klimabilanz keinen Schritt voran“, glaubt er: „Schlechter Deal bleibt schlechter Deal.“