taz🐾thema
: 100 jahre bauhaus

die verlagsseiten der taz

Klare Linien, gebrochene Biografien

Im Jubiläumsjahr können Bauhaus-Fans auch abseits ausgetretener Wege Schätze entdecken: in Weimar das neue Museum, in Leipzig die Bedeutung des Bauhauses für die Messestadt und in Eisenhüttenstadt eine Ausstellung, die sich mit der Moderne in der DDR beschäftigt

Das Montagemöbelprogramm der Deutschen Werkstätten Hellerau (MDW), entworfen von Rudolf Horn Foto: © M BOOKS / HStA-D, Bestand 11764 Deutschen Werkstätten Hellerau (D), Nr. F7602-22

Von Jana J. Bach

Sie feierten selbst gern – egal ob das Sonnenwend- oder das Drachen-Fest. Eine Tradition, die in Weimar begann, dort, wo Walter Gropius 1919 das „Staatliche Bauhaus“ gründete, und wo im April wieder ein Festakt anstand, als zur Einweihung des neuen Bauhaus-Museums Weimar geladen wurde. Der schlichte Betonkubus entstand nach Plänen der Berliner Architektin Heike Hanada und legt den Fokus in seiner neuen Dauerausstellung inhaltlich auf die so kurze wie wichtige Existenz des Bauhauses in der Klassikstadt Weimar.

Das Feiern setzte sich seinerzeit in Dessau fort, wohin das Bauhaus bereits 1925 umzog, bevor die „Hochschule für Gestaltung“ 1932 von den Nationalsozialisten geschlossen wurde. Schon im Bauhausmanifest war von der Bildung „eines heiteren Zeremoniells“ durch Musik oder Theater zu lesen, das grundsätzlich vom „Bau der Zukunft“ kündigte. Diesen sollten Künstler und Handwerker, in sozialreformerischer Einheit gemeinsam errichten, „der alles in einer Gestalt sein wird. Architektur und Plastik und Malerei“.

Gropius` Aufruf zur Gestaltungsrevolution, der auch Lebenswelt und Alltag betraf und den er in einer Zeit der Umbrüche verlauten ließ, folgten viele bedeutende Künstler. Paul Klee, Josef Albers, Wassily Kandinsky oder László Moholy-Nagy wurden zu seinen Mitstreitern. Die festlichen Aktivitäten waren auch der Versuch der Bauhäusler, mit den Weimarern in Austausch zu treten. Die standen ihnen allerdings distanziert bisweilen sogar äußerst ablehnend gegenüber.

Ein Fremdeln, dass der in seine „Kutte“ gekleidete, durch den Ort spazierende Johannes Itten, Anhänger einer mystisch-phantastischen Sekte, wohl noch befeuerte. Oder Theo van Doesburg, De Stijl-Verfechter, der mit Hut, Monokel und weißer Krawatte zum schwarzen Anzug des Weges schritt. Sie standen für radikal Gegensätzliches, doch beeinflussten beide das Bauhaus maßgeblich. Das entwickelte sich voller Widersprüche, über eine expressionistisch eingefärbten Frühzeit bis zu einer starken Ausrichtung auf Architektur in späteren Jahren.

Neben einiger bestechender Gestaltungsideen habe das Bauhaus seine immense Nachwirkung vor allem diesem Facettenreichtum zu verdanken, sagt Olaf Thormann, der Direktor des Grassi Museums für Angewandte Kunst, das derzeit die Sonderschau „Bauhaus Sachsen“ zeigt.

So hat es laut Thormann Bauhäusler auch in allen politischen Lagern gegeben. In der Mehrheit waren sie weltoffen und demokratisch. Nur die „moralisch leuchtend weiße Weste“ könne man ihnen nicht attestieren, so der Grassi-Direktor. Otto Beyers Zeitschrift „die neue linie“ huldigte Mussolini zeitbedingt sogar auf dem Titelblatt. Andere dagegen landeten unter Hitler in Konzentrationslagern.

Klare Linien und Formen, gebrochene Biografien – zuletzt wurden viele der Bauhaus-Mythen ans Licht gesetzt. Manches hält sich dennoch hartnäckig. Bis heute gilt das Bauhaus etwa als Synonym für die Moderne schlechthin, alles, was modern anmutete, schrieb man ihm zu – jegliche Stahlrohrmöbel, die Siedlungen von Bruno Taut ebenso wie Le Corbusiers weiße Villen. Dabei machte die Kunstschule nur einen kleinen Teil der Moderne aus, es gab viele andere Strömungen.

In Leipzig knüpfte das Bauhaus Kontakte zur Industrie Sachsens

Das Ziel, den Kanon zu erweitern, verfolge jedenfalls auch das Grassi Museum, erläutert Thormann. So führt die die Sonderschau mit Werken zeitgenössischer Künstler bis in die Gegenwart. Vor allem aber legt sie weniger Bekanntes offen: die Bedeutung Leipzigs fürs Bauhaus.

Hier waren die Grassimessen ansässig, „ein Multiplikationsort für die Schule“, auf denen die Bauhäusler ihre Ideen präsentierten und Kontakte knüpften, etwa zur sächsischen Industrie. Berühmtes, wie das Bauhaus Schachspiel oder die Leuchten von Jucker und Wagenfeld, hatten dort ihre Premieren. Ein Exemplar des „Barcelona Chairs“ zum Beispiel verblieb 1929/30 am Haus, freut sich Thormann, „den haben wir bis heute im Bestand“.

Seit 1919 steht das Kunstgewerbemuseum, für das Joseph Albers große Treppenhausfenster entwarf, mit dem Bauhaus in Kontakt. Beinahe hätte es 1932 sogar ein Bauhaus Leipzig gegeben, „weil der damalige Direktor der Mustermesse, ein strammer Nazi, um die Strahlkraft wusste, die von Ständen eines Mies van der Rohe ausgingen“.

Als Verfechterin avantgardistischer Gestaltungsideen entwirft Lilly Reich noch 1935 für Villeroy & Boch einen Messestand, „im total minimalistischen Bauhaus-Outfit“. Auch aus den Produktionsstätten verschwand manches erst auf Drängen der Kanzlei des Führers. Das Bauhaus, so Thormann, setzte sich wirtschaftlich durch, trotz zeitweiser Verfemung und Diffamierung und oftmals gegen die offizielle Lesart.

In Ostdeutschland wurde nach 1945 zunächst an die Moderne angeknüpft, sagt Florentine Nadolni, die Co-Kuratorin der aktuellen Schau „Alltag formen! Bauhaus-Moderne in der DDR“ in Eisenhüttenstadt. Doch dann wurde „die gesamte Formensprache, auch Gestaltungsfragen, Teil des Kalten Krieges und der Systemkonkurrenz“.

In Weimar folgen nach der Eröffnung des Bauhaus-Museums Weimar mit der Dauerausstellung „Das Bauhaus kommt aus Weimar“ sowie des Neuen Museums mit der Dauerausstellung „Van de Velde, Nietzsche und die Moderne um 1900“ im April über das Jahr verteilt weitere Veranstaltungen zum 100. Jubiläum, unter anderem am 10. August das Bauhaus-Fest vor und im Bauhaus-Museum Weimar und im Rahmen der Triennale der Moderne ab 27. September die Ausstellung „The Matter of Data – Auf den Spuren der ,BauhausModerne‘“. Weitere Infos auch zum Download einer kostenlosen App unter: www.klassik-stiftung.de.

In Leipzig zeigt das Grassi Museum für Angewandte Kunst die Ausstellung „Bauhaus Sachsen“ noch bis 29. September. Die Wanderausstellung „Das Haus Rabe in Zwenkau“ ist das nächste Mal vom 6. August bis 20. September im Neues Rathaus Leipzig zu sehen. Mehr Infos unter: www.grassimuseum.de/fr/ausstellungen/aktuell/bauhaus-sachsen.html.

Im Dokumentationszentrum Alltagskultur der DDR in Eisenhüttenstadt läuft die Ausstellung „Alltag formen! Bauhaus Moderne in der DDR“ noch bis zum 5. Januar 2020, Alles Weitere unter:www.alltagskultur-ddr.de/ausstellungen/sonderausstellung (jb)

Mit Gründung der DDR erfuhren moderne Konzepte schließlich eine massive Ablehnung, die für das Bauhaus in der „Formalismusdebatte“ gipfelte. „Eine funktionale Formensprache wurde von kulturpolitischer Seite dem Westen zugeordnet“, so Nadolni, und das Bauhaus war schon dadurch verdächtig, dass viele seiner Mitglieder in den 1930ern in die USA geflohen waren.

Bis zum baupolitischen Kurswechsel, der bereits in den 50ern einsetzte und vor allem aus ökonomischen Zwängen heraus geschah, propagierte die SED vermeintlich nationale Gestaltungstraditionen. 1971 wurde die Lösung des Wohnungsproblems als Staatsziel verkündet. So begann der Siegeszug der Plattenbauten noch vor Wiedereröffnung des sanierten Bauhaus Dessau 1976, mit der die vormalige Hochschule zum offiziellen Kulturerbe der DDR wurde.

Design als Möglichkeit die Umwelt zu gestalten, löste sich wiederum schon in den 1960ern aus den ideologischen Debatten, und im VEB Deutsche Werkstätten Hellerau wurde etwa durchgängig nach vom Bauhaus inspirierten, modernen Entwürfen produziert, wie etwa Baukastenmöbel. Es herrschte Materialmangel in der Nachkriegszei , und „funktionale Möbel seriell herzustellen, war da viel effektiver“, so Nadolni. Im Dokumentationszentrum in Eisenhüttenstadt lässt sich eine Auswahl solcher Objekte finden, sowie die widersprüchliche Bauhaus-Rezeption in der DDR ergründen.

Weimar eröffnete als erste der drei Städte, neben Dessau und Berlin, denen das Bauhaus Erbe vornehmlich zugeteilt wird, ihr neues Museum. Doch die Schule zog weite Kreise, auch abseits. Manches Juwel findet sich so, nun ja, in der Provinz. Das Haus Rabe etwa, nahe Leipzig, konzipierte Oskar Schlemmer als Gesamtkunstwerk. Von den Wandmalereien bis zur Fußbodengestaltung wurde es nicht, wie etwa die sehr sehenswerten Meisterhäuser rekonstruiert, sondern ist über die Jahrzehnte unversehrt erhalten.