Turiner Messe mit Faschisten?

Streit in Italien über Teilnahme eines rechtsextremen Verlegers

Darf sich der Verlag eines bekennenden Faschisten auf der Turiner Buchmesse, der größten Italiens, präsentieren? Am 9. Mai beginnt die Bücherschau, doch schon jetzt ist Italiens Öffentlichkeit, vor allem die Linke, gespalten. Stein des Anstoßes ist der kleine Verlag Altaforte aus Mailand. Ein Verlag, der nach eigenem Bekunden „alternative Sichtweisen gegenüber den gleichgeschalteten Interpretationen“ und eine „identitäre Kultur“ verbreiten will. Auf seiner Website bietet er die Zeitschrift Il primato nazionale (Das nationale Primat) an, deren letzte Nummern dem „subversiven“ Papst Franziskus und dem „antiitalienischen Roberto Saviano („Gomorrha“) ­gewidmet sind, aber auch Bücher über „rote“ Kriegsverbrechen der jugo­slawischen Partisanen gegen die ­Italiener.

Doch der größte Coup des Verlagshauses ist das eben erschienene Werk „Ich bin Matteo Salvini“, ein Interviewband mit dem Chef der Lega, Vizepremier und Innenminister, der mit seiner „Italiener zuerst!“-Rhetorik zum populärsten Politiker Italiens aufgestiegen ist.

Salvini findet nichts dabei, bei einem Verlag zu publizieren, dessen Chef Francesco Polacchi der Regionalchef der rechtsextremen Organisation CasaPound in der Lombardei ist. Am Montag erklärte er in einem Radiointerview mit der staatlichen RAI, der Antifaschismus sei „das wahre Übel Italiens“. Er sei Faschist, Mussolini sei „der größte Staatsmann Italiens“ und dessen Diktatur kein Problem. Gutes kann der 33-jährige Polacchi auch über Salvini sagen: Auf dem Feld der Immigration hat er sehr gut gearbeitet.“

Mitten im EU-Wahlkampf denkt Salvini nicht daran, zu dem Fascho-Verleger auf Abstand zu gehen. Im Gegenteil: Es scheint, als kokettiere er selbst mit dem Duce-Nimbus. Vor wenigen Tagen sprach er in Forlì von einem Balkon zu seinem Fans auf dem zentralen Platz – der Letzte, der diesen Balkon für Ansprachen benutzt hatte, war Mussolini.

Vielen, vor allem linken Autor*innen ist deshalb die Lust vergangen, nach Turin zu kommen. Das Autorenkollektiv Wu Ming boykottiert die Messe ebenso wie der Cartoonist Zerocalcare oder der Historiker Carolo Ginzburg. Auch der Direktor des Auschwitz-Museums, ­Piotr Cywinski, plädierte für Boykott.

Die linke Schriftstellerin Michela Murgia meint, man dürfe den Faschisten nicht das Feld überlassen. Auf strafrechtlichem Weg wollen dagegen der Gouverneur der Region Piemont, Sergio Chiamparino von der gemäßigt linken Partito Democratico, und die Bürgermeisterin Turins, Chiara Appendino von den Fünf Sternen, das Problem lösen. Sie erstatteten am Dienstag Anzeige gegen Polacchi. Er habe sich im Radio der Verherrlichung des Faschismus schuldig gemacht. Michael Braun