Bezirkswahl in Hamburg: Blaue Linie überschritten

Um bei der Bezirkswahl gewählt zu werden, begeht Burckhardt Müller-Sönksen einen Tabubruch: Eine Fraktionsgemeinschaft mit zwei Ex-AfDlern.

Burkhardt Müller-Sönksen spricht auf einer Landesmitgliederversammlung der FDP.

Hat sich mal wieder ins Gespräch gebracht: Burkhardt Müller-Sönksen, hier 2016 in Hamburg Foto: dpa

HAMBURG taz | Er hat noch nicht fertig. Burckhardt Müller-Sönksen, 59, der sich „als Parlamentarier durch und durch“ bezeichnet und den alle nur „BMS“ nennen, will es noch einmal wissen. Seine FDP, deren Hamburger Vizechef er einst war, hat ihn für die anstehende Bezirkswahl nur auf den allerletzten Platz, Rang 16, ihrer Eimsbüttler Liste gesetzt. BMS, den man als eine Kreuzung zwischen politischem Schwergewicht, Dampfplauderer und Klassenclown beschreiben kann, ist wohl etwas in Ungnade gefallen. Aber was für fast jeden anderen Politiker Grund genug für eine depressive Verstimmung wäre, ist für BMS nicht mehr als eine sportliche Herausforderung.

Auch vor der letzten Bezirkswahl, 2014, bekam BMS nur den allerletzten Listenplatz, zog aber aufgrund des neuen Wahlrechts mit seinen Personenstimmen an den anderen Kandidaten vorbei und landete doch noch in der Bezirksversammlung Als ehemaliger Fraktions-Chef in der Bürgerschaft und Ex-Bundestagsabgeordneter der FDP war er bekannter als all seine Konkurrenten zusammen. Das will er nun erneut schaffen.

Doch in letzter Zeit ist es ruhig geworden um den Rechtsanwalt mit dem großen Rede- und dem noch größeren Geltungsbedürfnis. Für einen erneuten Wahlerfolg mussten also rechtzeitig noch mal ein paar Schlagzeilen her, die ihn aus dem Tal des Vergessens holen sollten.

Und so hat er es mit einem Paukenschlag rechtzeitig zum Wahlkampfendspurt wieder geschafft, sich ins Gespräch zu bringen. Am vergangenen Freitag hat BMS im Eimsbüttler Parlament eine Fraktionsgemeinschaft mit zwei Abgeordneten gegründet, die 2014 über die AfD-Liste in die Bezirksversammlung gewählt wurden. Ein kalkulierter Tabubruch, der ihm einen Shit-Storm, vor allem aber jede Menge Aufmerksamkeit einbringt. BMS ist wieder da.

Für einen erneuten Wahlerfolg mussten noch ein paar Schlagzeilen her, um ihn aus dem Tal des Vergessens zu holen

Und da er den Tabubruch öffentlichkeitswirksam nutzen will, ohne sich in die rechte Ecke stellen zu lassen, hat BMS jede Menge guter Gründe für die Fraktionsgemeinschaft parat, die es nur für wenige Tage geben wird. Die beiden Ex-AfDler, die heute parteilose Abgeordnete sind, Andre Tierling und Wolfgang Heinrich, stehen am 26. Mai nicht wieder zur Wahl. Laut BMS seien beide „wirklich kein bisschen rechtsradikal“. Dafür würde er „die Hand ins Feuer legen“.

Tierling und Heinrich seien Euroskeptiker der EU-kritischen AfD unter Bernd Lucke gewesen und hätten die Partei 2015 fluchtartig verlassen, als ein stark von rechts kommender Wind aufgezogen war. Und so hätte BMS, der letzte verbliebene Liberale in der Bezirksversammlung mit diesen beiden netten Herren genauso punktuell zusammen gearbeitet, wie mit den Vertretern der CDU oder der Linken auch. „Im Kommunalparlament zählen keine Ideologien sondern nur konkrete Verbesserungen für die BürgerInnen“, begründet BMS seine Offenheit nach allen Seiten.

Und auch für die Gründung der „Liberalen Fraktionsgemeinschaft Eimsbüttel“ hat BMS gute Argumente. „Einziges Ziel der Fraktionsbildung war, die Beantwortung einer Anfrage zu gewährleisten“, erklärt der Jurist. Die wurde vom Bezirksamt – mit für BMS fadenscheinigen Gründen – nicht als Kleine, sondern als Große Anfrage bewertet, die nur Fraktionen, nicht aber einzelne Abgeordnete stellen dürfen. Und da es in der Anfrage um schwerwiegende Vorwürfe des Landesrechnungshofes gegen das Bezirksamt gehe, habe er sie noch unbedingt stellen wollen, betont BMS. Der Bundesrechnungshof wirft dem Bezirksamt vor, Amtsmitarbeitern unerlaubt Aufträge zugeschustert zu haben.

Das sei eben wichtig gewesen. Ein Schelm, wer dabei an Wahlkampf denkt.

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