Defensiv harmlos

Das Theater Bremen geht erste Schritte, um den Umgang mit Rassismus und Sexismus in der Oper zu problematisieren. Die „Verführung aus dem Serail“ aber geht nicht weit genug

Viel dreckige Wäsche ist in der Oper noch zu waschen. Die „Verführung aus dem Serail“ taugt aber nur als Vorwaschgang Foto: Jörg Landsberg

Von Florian Maier

Mit dem Lastenaufzug geht es nach oben, hinauf zur Probebühne, an einen Ort, an den man sonst im Theater Bremen nicht kommt. Der Raum ist nur spärlich beleuchtet, mit Taschenlampen wird man zu den Plätzen geführt. Lange Wäscheleinen mit Kleidung versperren den Weg, man muss geduckt unter ihnen hindurch, manchmal auch darübersteigen. Aus Lautsprechern kommen kurze Sequenzen aus Interviews: „Puh, das ist jetzt eine schwierige Frage“, sagt eine Frau.

Die Musiktheatersparte des Theaters Bremen setzt sich mit Mozarts Oper „Entführung aus dem Serail“ auseinander. Für das Projekt „Positionen. Verführung aus dem Serail“ wurden im Vorfeld Konzerte mit Sänger*innen aus dem Musiktheaterensemble veranstaltet, in Privathaushalten, Bürgerzentren und Kirchengemeinden. Dabei erzählten sie zunächst die Geschichte der Oper und stellten anschließend Fragen an die Zuschauer*innen. Deren Antworten wurden aufgezeichnet und bilden nun den Ausgangspunkt, um sich der zentralen Frage zu nähern: Wie macht man Oper zeitgemäß?

Denn Mozarts Oper war, das ist der Ausgangspunkt des Projekts, seinerzeit der „Inbegriff des Orientalischen schlechthin – gleichermaßen Schreckensphantasie wie Sehnsuchtsort“. Doch wie viel hat das Singspiel auch heute noch mit ganz persönlichen Vorstellungen vom Orient zu tun?

Regisseurin Vendula Nováková lässt die Darsteller*innen mal singen, mal interviewen sie sich gegenseitig, spielen miteinander, strippen oder werfen mit Kleidung durch die Gegend. Viele Teile des Stückes wirken improvisiert und dabei sehr nah an den Darstellenden. Das verleiht dem Abend eine persönliche Note, führt aber auch zu komischen Situationen. Auf die Frage, wie für sie das Paradies aussehe, antwortet eine der Darsteller*innen: „Paradies ist ein Ort ohne Menschen.“ Für einen anderen ist es ganz weltlich der Bremer Stadtteil Blumenthal im Sommer.

Als Darstellerin Zeynep Tugçe Özdemir gefragt wird: „Was bedeutet der Orient für Sie?“, antwortet sie schlicht mit: „Osten.“ Auch wenn sie lange in der Türkei gelebt habe – die Glorifizierung des Landes verstehe sie nicht. Und dass sie gern Tee trinke: eine persönliche Vorliebe, mit ihrer Herkunft habe das nichts zu tun. Für Darstellerin Lisa Florentine Schmalz wiederum ist der „Sehnsuchtsort Orient“ nur ein Märchen, eine „imaginäre Geografie“.

Mit all den Klischees aufzuräumen, die da in und um Mozarts Oper herum auftauchen, gelingt dem Projekt so aber nur in Ansätzen. Vieles wird zu unreflektiert auf das Publikum losgelassen. Wenn etwa Darsteller Christoph Heinrich – im Hintergrund erklingt Mozarts „Rondo alla Turca“ – im klischeemigrantischen Jugendslang zu seinem Kollegen Wissam Alkhalil sagt: „Walla, klingt nach Beethoven. Beethoven ist ein Ehrenmann“, dann bleibt es bei dieser Aussage. Diskutiert wird sie nicht. So wirken viele der Fragen bloß wie weiße Wohlfühlkritik an Herrschaftsverhältnissen.

Interessanter wird es, wenn schon auf den Tonaufnahmen eine Unsicherheit spürbar wird oder das Ensemble selbst verunsichert wirkt. Natürlich sind die Fragen, die der Abend stellt, tatsächlich nicht einfach zu beantworten. Bestimmte Phänomene einfach wegzulachen, statt sich tiefer mit ihren Ambivalenzen auseinanderzusetzen, ist dann doch zu wenig. Warum die eigene Unsicherheit nicht selbstbewusst behaupten?

So entsteht der Eindruck, dass die neue Reihe „Positionen“ zwar beginnt, die richtigen Fragen zu stellen, mehr als an der Oberfläche zu kratzen aber gelingt ihr noch nicht.

Sa, 25. 5., 18 Uhr, und So, 26. 5., 20 Uhr, Theater Bremen, Treffen vor dem Eingang zum „Noon“