Portugal vor der Europawahl: Krise, welche Krise?

Portugal hat sich von der Wirtschaftskrise erholt. Auch für Arlindo Salgueiro und sein Familienunternehmen ist das spürbar.

Eine Näherin sitzt an einer Nähmaschine

Alice Almada, 51, Näherin, hat „immer in einer Krise gelebt“ Foto: Matilde Viegas

PORTALEGRE taz | In Arlindo Salgueiros Fabrik für Arbeitskleidung und Uniformen tragen selbstverständlich alle Uniform, allerdings jeweils eine andere. Alice Almada ist schnell kalt, sie hat deswegen eine orange Fleecejacke an, links unterhalb des Schlüsselbeins ist das Firmenlogo aufgenäht. Darunter der Name: Casa das Batas, zu Deutsch und viel weniger schön: Kittelhaus. Auf dem Rücken steht der Firmenname noch mal groß. Dora Dias trägt ein weiß-rot-gestreiftes Modell. Maria Augusta Pegacha trägt die Uniform aus der Kollektion des letzten Jahres, rot, mit pinkgeblümten Rändern an Ärmeln, Kragen und Brusttasche.

Die drei Frauen sind Näherinnen. Sie könnten ihre Uniformen selber schneidern, aber das wäre dem Firmenchef Arlindo Salgueiro dann doch zu bunt, für das Design ist er zuständig. Arlindo Salgueiros Kittel ist blau mit roten Details. „Ich brauchte einen neuen. Dann habe ich den hier gemacht und meinen Namen draufgestickt“, sagt er, als er durch die Fabrik führt.

Auf dem Boden liegen Fäden, sie kleben auch an der Kleidung der Mitarbeiter*innen, an den Wänden hängen Muster und Modelle, Stoffproben liegen herum, ein großes Gerät lärmt, es schneidet die Einzelteile zu, die die Näherinnen dann verbinden. 25.000 Euro hat das Ding gekostet, manchmal kommen Leute aus der Nachbarschaft vorbei, um es zu bestaunen.

Die Casa das Batas ist ein kleines Familienunternehmen in Portalegre, im Landesinneren von Portugal, weit weg von der im Norden angesiedelten Textilindustrie. Dreizehn Menschen arbeiten hier. Vor ein paar Jahren, während der Krise, waren es zehn. Arlindo Salgueiro musste drei Näherinnen entlassen, es waren die oben genannten: Alice Almada, Dora Dias, Maria Augusta Pegacha. Die Aufträge waren um 30 Prozent zurückgegangen. Ab 2016 konnte er die drei wieder einstellen. Ist die Krise vorbei?

Seit 2015 regiert in Portugal eine Minderheitsregierung, bestehend aus der Sozialistischen Partei von Premier António Costa, dem Linksblock und den Kommunisten. Dieses Bündnis hat sich gegen die Austeritätspolitik entschieden, die Ländern wie Portugal, Italien, Spanien und Griechenland auferlegt wurde. Man erinnert sich noch an das Akronym PIGS-Staaten, dessen Buchstaben mit Absicht so angeordnet wurden, dass sie eine Beleidigung ergaben. Die Troika, das waren Vertreter*innen der Europäischen Zentralbank, des Internationalen Währungsfonds und der Europäischen Kommission.

Obwohl Wolfgang Schäuble die portugiesische Regierung davor warnte, den Sparkurs zu verlassen, ist die Arbeitslosigkeit gesunken, von 12,4 Prozent im Jahr 2015 auf mittlerweile 6,3. Der Mindestlohn wurde zweimal erhöht, genau wie die Mindestrente. Die vorherige Regierung hatte der Troika versprochen, die Sozialausgaben um vier Prozent zu senken und bei den Renten 1,6 Millionen einzusparen. Stattdessen werden hohe Einkommen nun stärker besteuert, genau wie Aktiengewinne.

Cristiano Ronaldo der EU-Finanzminister

Die 35-Stunden-Woche wurde wieder eingeführt, die Privatisierung staatlicher Wasser- und Verkehrsbetriebe gestoppt. 2018 betrug das Haushaltsdefizit nur noch 0,5 Prozent – der niedrigste Wert sei 45 Jahren. Die Wirtschaft wächst, auch wenn für dieses Jahr laut Economist nur noch 1,8 Prozent vorausgesehen werden. 2018 lag das Wachstum bei 2,4 Prozent. Bei den Regionalwahlen 2017 waren wieder die Sozialisten die Gewinner.

Und ein Portugiese, der Finanzminister Mário Centeno, ist Chef der Eurogruppe. Wolfgang Schäuble ließ sich von ihm überzeugen und nannte ihn 2017 den Cristiano Ronaldo der EU-Finanzminister.

„Als die Renten von den armen Alten gekürzt wurden, da liefen alle mit gesenktem Kopf herum. Ein trauriges Volk waren wir, ohne Motivation. Ich bin kein großer Politikfan, aber ich glaube, gerade leistet sie gute Arbeit. Wir wachen wieder besser gelaunt auf. Die Leute kaufen mehr, investieren, das haben wir hier auch stark so empfunden“, sagt Arlindo Salgueiro, er klickt etwas unsicher auf dem Designprogramm herum, öffnet eine Datei mit Schnittmustern. Zieht man an einer Ecke, vergrößert sich das Muster entsprechend in anderen Größen, S, M, L, XL.

Ein Mann hält eine Auszeichnung hoch

Firmenchef Arlindo Salgueiro war Vertreter für Olivenöl, bevor er die Näherei gründete Foto: Matilde Viegas

Salgueiro hat sich das Entwerfen selbst beigebracht, zuerst mit Kleidungsstücken, die er kaufte, aufschnitt und kopierte. Dann mit der Software. Das Programm berechnet auch, wie es die Vorderteile, Hinterteile, Ärmel, Kragen und Gürtel so auf dem Stoff positionieren kann, dass so wenig Stoff wie möglich verloren geht. „Wenn man das angezeigt bekommt, ist es wirklich erschreckend: Um die 20 Prozent landen im Müll, wir vergessen immer, das auf den Preis aufzuschlagen. Daran müssen wir echt denken“, sagt Salgueiro.

Seit Kurzem lernt er eine junge Mitarbeiterin an, das Programm zu bedienen. Sie ist die Einzige, die auf einer Modeschule war. „Als sie herkam, hat sie gesagt, sie kann nähen, aber das, was sie gelernt hat, hat wenig mit unserem Alltag zu tun.“ Salgueiro grinst ein Grinsen, das man so breit nicht in seinem Gesicht erwartet hätte. Die junge Mitarbeiterin lernt nebenan gerade, Knöpfe anzubringen, zeichnet vor, wo die Löcher hin müssen, auf Portugiesisch hat ein Knopf kein Loch, in das er schlüpft, sondern ein Zuhause.

„Früher habe ich verkauft, was Fettflecken macht, jetzt verkaufe ich den Stoff“, sagt Salgueiro und geht weiter durch die Fabrik, von der großen Maschine, die die Teile zuschneidet, vorbei an den Näherinnen und der Frau, die die fertigen Kleidungsstücke bügelt, hin zu Salgueiros Schwager, der an einem Gerät arbeitet, das Logos und Schriftzüge stickt – gerade arbeitet er an Poloshirts für eine Kanalisationsfirma, das S im Namen sieht aus wie ein Rohr.

Früher, in den Achtzigern, so genau nimmt Salgueiro es nicht mit Jahreszahlen, hat er Olivenöl verkauft, ist von Haustür zu Haustür, von Restaurant zu Restaurant gezogen. Seine Schwägerin betrieb auch eines und sagte: „Arlindo, im Norden soll es Tischdecken geben, die leichter zu waschen sind. Kannst du die für mich besorgen?“

Rechtspopulisten haben keine Chance in Portugal

Er hat sie gefunden, der Hersteller suchte einen Vertreter in der Region um Portalegre, also hat Salgueiro unter der Woche Olivenöl verkauft und am Wochenende Tischdecken und irgendwann, weil es so gut lief, nur noch die. Später kamen Kittel für die Küche dazu, Hauben wurden Vorschrift, auch die verkaufte er, und Uniformen.

Dann organisierte Salgueiro eine Garage, eine Nähmaschine, stellte eine Näherin ein. „Und so hat sich das weiterentwickelt.“ Sein bestes Jahr war 1998, das Jahr der Expo in Portugal, „da haben wir jeden Tag ein Auto voller Ware beladen“. In den Neunzigern nutzen die meisten Restaurants noch Tischdecken aus Stoff, es wurden große Hochzeiten gefeiert, für die die Braut sich eine Farbe aussuchte, in der dann Stuhlhussen, Vorhänge und Servietten bestellt wurden.

„Die Festsäle haben sehr unter der Krise gelitten, heute kommen ein Dutzend Leute zu einer Hochzeit und essen ein Sandwich, na ja, so ungefähr.“

Die Arbeitslosigkeit ist gesunken, von 12,4 Prozent im Jahr 2015 auf 6,3. Der Mindestlohn wurde zweimal erhöht

Um 13 Uhr geht das Licht aus in der Casa das Batas, Mittagspause. Die Mitarbeiter*innen gehen in einen Raum, der eine kleine Küche hat und wärmen sich in der Mikrowelle etwas zu essen auf. Salgueiro fährt mit seinem Sohn, seiner Schwiegertochter und seinem Schwager, die alle bei ihm arbeiten, nach Hause. Piedade Salgueiro, Arlindos Frau, hat gekocht: frittierter Fisch, Kartoffeln, Ananassaft mit Pfefferminze und Kuchen vom Abend zuvor.

Da feierte die Familie den 29. Geburtstag der Tochter. Die Küche ist in dunklem Holz gehalten, wie so viele Küchen Portugals. Eine karierte Tischdecke (orange-weiß), karierte Vorhänge (grün-weiß), ein Holzofen, Zierteller an den Wänden. In der Ecke hängt ein kleiner Fernseher, lautlos überträgt er eine Debatte zur Europawahl. Auf der Bauchbinde des Kandidaten der neuen rechten Partei „Chega!“ (Es reicht!) steht: „Basta! Schluss mit der Einwanderung von Flüchtlingen“.

Anders als in fast allen europäischen Ländern haben Rechtspopulisten keine Chance in Portugal. Der Kandidat der Iniciativa Liberal sagt: „Europa ist vor allem ein Raum der Möglichkeiten.“ Ein Kandidat der maoistischen Linken fordert Portugals Austritt aus der EU. Auch am Esstisch wird über Politik geredet. „Schreib, dass António Costa ein mutiger Mann ist“, sagt Jorge Salgueiro, der älteste Sohn der Familie.

Costa hat sich zuletzt gegen die Lehrer*innen und deren Gewerkschaft gestellt, die Ausgleichszahlungen für ihre während der Krise eingefrorenen Karrieren forderten: neun Jahre, 100.000 Lehrer*innen, das sind 600 Millionen Euro jährlich. Der Linksblock und die Kommunisten, die Koalitionspartner von Costa, schlugen sich auf die Seite der Konservativen, die den Zahlungen zustimmten.

Costa wollte zurücktreten, wenn das Parlament den Beschluss annehmen würde. Am Ende ging er als Sieger aus der Debatte, sogar der politische Gegner, der Vorsitzende der Mitte-rechts-Partei PSD, hat Costa für sein verantwortungsvolles Handeln im Fernsehen gelobt.

„Er hat den Lehrern nicht nachgegeben, obwohl sie eine wichtige Wählergruppe sind“, sagt Jorge Salgueiro am Geburtstagstisch. „Denn was die Lehrer wollen, wollen auch die Krankenschwestern, die Lkw- und Busfahrer. Wer hat denn nicht unter der Krise gelitten?“ Finanzminister und Eurogruppenchef Mário Centeno sprach von einer „Büchse der Pandora“, die geöffnet werden würde, sollten die Lehrer*innen ihr Ziel erreichen.

„Früher haben wir mehr verdient“

Andere Berufsgruppen könnten nachziehen. Die Forderungen nach Ausgleichszahlungen und Lohnerhöhungen haben sicher auch etwas mit der Erzählung der Regierung von António Costa zu tun: Die Krise ist vorbei. Wenn alles gut ist, sollte sich das doch auf dem Konto von jedem Einzelnen spiegeln. Aber ist es das?

Bei den Salgueiros gibt es am Geburtstagsabend eine Suppe, die typisch ist für diese Region, sopa alentejana. Sie wird auf Brotstückchen gegossen, Ei ist neben Gemüse auch drin. Danach gibt es Fleisch, Reis, Salate. Mutter Piedade Salgueiro sagt Mütter-Sätze. Wenn man sich aus einer der Schüsseln etwas nimmt: „Es ist noch mehr davon da.“ Vater Arlindo Salgueiro macht Vater-Witze. Als er mit dem Teller voll Gegrilltem aus dem Garten wiederkommt: „Also, das ist mein Teller.“

Eine Tante sagt: „Wir sind noch mehr in der Krise als früher!“ Viele am Tisch hatten überlegt auszuwandern, haben Sprachkurse gemacht, Deutsch und Englisch. „Ich heiße Susanna, wie heißt du?“ ist so ein Satz, den eine Cousine gelernt hat. Sie ist arbeitslos, spricht darüber, wie teuer eine Busfahrt ist, meist geht sie zu Fuß. Sie hat Wirtschaft studiert, 2007 einen Fotoladen aufgemacht, 2011 einen Informatikkurs besucht, dann ein Kind gekriegt, sich zur Kosmetikerin weitergebildet und in einem Schuhgeschäft gearbeitet, das 2017 pleiteging.

Der Schwager hatte ein Angebot in Paris, wollte die alte Mutter aber nicht allein lassen. Jetzt arbeitet er in der Casa das Batas mit der Stickereimaschine und der Presse für Aufdrucke. Er hat gesundheitliche Probleme und ist im Familienbetrieb untergekommen. Seine Frau sagt: „Früher haben wir mehr verdient.“ Er sagt: „Es ist anders.“

Später am Abend sind die Männer im Wohnzimmer, es läuft Fußball. Es gibt Kirschen, dann einen Kuchen, um 22 Uhr sagt die Mutter: „Da ist noch der Geburtstagskuchen.“ Es folgt eine Modenschau der Tochter mit den neusten Funden bei Lidl, eine Tante schneidet ihr dann noch die Haare.

Jede positive Wirtschaftsgeschichte hat ihr Aber. Viele der neuen Jobs sind prekär und saisonal, sie hängen am Tourismus, der zwar viel Geld nach Portugal spült, aber auch hohe Kosten hat: unbezahlbare Mieten, Verdrängung, überfüllte Städte. Portugal verkauft für Investitionen von mindestens 500.000 Euro, vor allem in Immobilien, sogenannte Golden Visa, die auch Zutritt zum Schengenraum erlauben. So kommen reiche Brasilianer*innen, Chines*innen oder Russ*innen ins Land, so wird aus schmutzigem Geld womöglich auch sauberes.

2019 gab es schon mehr Streiks als im ganzen Jahr 2015, in dem bis Oktober noch die Konservativen an der Macht waren. Und das, was die Regierung für Lohnerhöhungen ausgibt, spart sie zum Beispiel beim Gesundheitssystem wieder ein. 85 Prozent der öffentlichen Investitionen werden mit Fördergeldern der EU finanziert, nach dem Brexit könnte weniger davon für Portugal übrig bleiben. Und die Staatsverschuldung liegt noch immer bei 125 Prozent.

In der Casa das Batas, nach der Mittagspause, zeigt Jorge Salgueiro die Evolution des Firmenlogos. Er hat Informatik studiert, kümmert sich um die Website, denkt darüber nach, die Firma umzubenennen, damit sie auf dem europäischen Markt besser funktioniert. „Um zu wachsen, müssen wir die Website übersetzen, uns entwickeln …“, sagt er.

Die Belegschaft der Casa das Batas in Portalegre

Die Belegschaft der Casa das Batas in Portalegre. Große Mengen kann die Firma nicht produzieren Foto: Matilde Viegas

Und sein Vater, Arlindo Salgueiro: „… aber immer mit personalisierten Produkten. Nur so entkommen wir dem Konkurrenzkampf, der findet eher bei Standardprodukten statt.“

Sohn: „Wir haben sogar einen Auftrag von der Supermarktkette Pingo Doce abgelehnt, die wollten 2.000 Jacken, 10.000 Hosen, aber zu einem sehr niedrigen Preis.“

Vater: „Unsere Firma hat nicht die Struktur für große Mengen.“

Sohn: „Weil wir sonst im Wettkampf mit chinesischen Firmen sind.“

Vater: „Wir haben unseren Weg. Nur deswegen hat uns die große Welle der Krise nicht so sehr erwischt. Wir haben den Kopf eingezogen, und die Welle ist über uns hinweg.“

Die drei Näherinnen, die Arlindo Salgueiro entlassen musste, hat die Welle getroffen. Aber sie konnten zurückkommen. Hintereinander sitzen sie an Tischen mit einer Nähmaschine. Alice Almada und Maria Augusta Pegacha haben vor 15 Jahren gemeinsam begonnen, in der Casa das Batas zu arbeiten. Die Frauen sind Nachbarinnen, die eine ist die Patentante der Tochter der anderen, sie gehen ins gleiche Nagelstudio. Jahreszahlen berechnen sie anhand des Alters ihrer Kinder.

Alice Almada, 46: „Ich war zum Glück nur einen Monat arbeitslos. Dann konnte ich in einer anderen Fabrik als Näherin angefangen. Krise, Krise, ich habe immer in einer Krise gelebt. Als wir noch den Escudo hatten, war es etwas besser, als der Euro kam, wurde alles teurer. Die Entlassung war keine Überraschung, wir haben ja gesehen, dass viel weniger Arbeit da war. Dann hat er uns nach und nach zurückgeholt. Wir verdienen den Mindestlohn, 600 Euro. Was wir verdienen können, verdienen wir. Mein Sohn fängt bald an zu arbeiten, er würde gern hierbleiben, aber das weiß man nie. Da, wo er Arbeit findet, dahin geht er.“

Dora Dias, 50: „Es war sehr schwer. Ich habe vorher 22 Jahre in einer anderen Fabrik gearbeitet, die ging auch pleite. Dann kam ich hierher, und zwei Jahre später war die Krise auch hier, das war 2014, meine Tochter war 19. Ich habe dann in einem Hotel gearbeitet, aber der Chef wollte den Vertrag nicht verlängern. Ich wollte nicht zu Hause bleiben, weil ich mich dort sehr schlecht benehme, ich kann nicht essen, das ist fast wie eine Depression. Ich liebe Handarbeit, um mich abzulenken, habe ich kleine Sachen aus Holz gemacht und genäht. Aber dann musste ich aufhören, weil das Material zu teuer war.

Arlindo Salgueiro, Unternehmer

„Wir haben den Kopf eingezogen, und die Welle ist über uns hinweggegangen“

Mein Mann wurde auch arbeitslos, das war schwierig. Aber im Oktober 2016 hat mich ­Senhor Arlindo wieder eingestellt. Es war sehr schwer für ihn, uns zu entlassen, aber es war gerecht, dass ich gehen musste, weil ich die Letzte war, die dazugekommen war. Vielleicht hätte die andere Fabrik auch überlebt, wenn sie ein paar Leute früher entlassen hätte. Aber die Chefs haben nur an sich gedacht und uns ohne Bezahlung arbeiten lassen, bis zum Schluss.

Hier waren wir nicht einen Monat ohne Lohn. Wir haben auch daran gedacht, auszuwandern, hatten ein Angebot von einem Portugiesen, der in England wohnt. Ich sollte auf seine Kinder aufpassen. Aber meine Schwiegermutter ist 89, wir haben entschieden: Es ist besser, hier etwas Kleines zu erreichen und in der Nähe zu sein.“

Maria Augusta Pegacha, 51: „Ich war den Rhythmus gewöhnt und dann habe ich ihn verloren. Das war ein Schock. Aber ich war nur einen Monat zuhause, dann habe ich als Altenpflegerin gearbeitet. In dem Bereich suchen sie immer. Ich mochte die Erfahrung. Davor hatte ich dreißig Jahre als Näherin gearbeitet. Senhor Arlindo musste uns entlassen, um die Firma zu schützen, sonst hätte ja niemand was davon. Jetzt ist es Gott sei Dank besser.

So sollten die Firmen das machen: ehrlich sein, nicht verstecken, was los ist. Weil: So hatten wir das Recht auf Arbeitslosengeld, alles lief normal. Ich nähe am liebsten die kleinen Teile, die schwierigen. Das fordert mein Hirn. Tischdecken mag ich nicht, da näht man nur den Rand um, das macht die Maschine von selbst. Ich finde das stressig. Es gibt andere, denen das gefällt. Wer was am besten kann und am liebsten mag, macht es. Da gibt es keine Probleme. Aber es geht natürlich nicht immer.“

Kurz vor Feierabend verteilt Arlindo Salgueiro rote Shirts, darauf in weiß: die Website ­Casadasbatas.pt. Eine Mitarbeiterin war wohl pikiert, dass er ihr eines in L angeboten hatte, erzählt er und lacht.

Einmal, wenigstens auf dem Gruppenfoto, sollen alle das Gleiche anhaben.

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