JULIA SEELIGER ÜBER BIOÖKO-DILEMMA: GUTER KONSUM SOLL DIE WELT RETTEN? ABER WIE RETTEN WIR UNSER GEWISSEN?
: Ironisch kaufen

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Am Wochenende war ich mal wieder Ökos kucken: Die Grünen trafen sich in Berlin, um über Urheberrecht, Umwelt und die Urwahl ihrer Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl zu sprechen. Normalerweise lässt sich bei denen stinknormale Öko-Bigotterie beobachten. Also: großspurig vegetarisches Essen fordern, dann aber selber schön die Fleischgerichte in sich reinschaufeln.

Bei dieser Gelegenheit traf ich auch meinen alten Kumpel Jan. Jan hatte neue Kopfhörer. Und ich bemerkte sofort ein leichtes Unbehagen bei ihm. Die Kopfhörer waren von der guten deutschen Marke Sennheiser, auf den Lauschern in schönem Königsblau befanden sich Adidas-Labels.

„Ironisch kaufen“, meinte Jan blitzschnell, während ich noch die Verarbeitung des schönen Stücks betrachtete und ein wenig neidisch war.

Ja, so große Marken-Labelaufdrucke kann man wohl nur ironisch kaufen, anders lässt sich das als Öko nicht rechtfertigen. Wir sind ja alle aufgewachsen mit Naomi Kleins „No Logo“. Adidas ist eine böse Firma, die Produkte werden in fiesen Sweatshops in der Dritten Welt gefertigt und auch in Deutschland machte das Unternehmen mal Schlagzeilen, weil es nicht ausbildete.

Der Ausweg also scheinbar: Ironisch kaufen! Der Kapitalismus ist ein Witz, wir können nichts dafür, es gibt doch nichts Richtiges im Falschen! So einfach ist das. Wer ironisch kauft, zeigt gleichzeitig, dass er an das Mantra vom Einkaufskorb, mit dem sich die Welt retten lässt, nicht glaubt – und dass er aber doch irgendwie dran glaubt, diejenigen um einen herum glauben es ja auch. Ironie als Ausweg. Innere und äußere Freiheit – wie im Ostblock.

Das ironische Kaufen hat Zukunft. Eine Art doppelter innerer Emigration, der Schrei nach dem Außen. Denn der Kapitalismus ist um uns. In uns.

Wo können wir hin, wo sind die Leerstellen dieses Systems? Die kapitalismusfreien Räume? Das Außen muss auch innen sein, im Kopf, ohne antikapitalistisches Denken werden wir diese Leerstellen nicht finden. Doch die Ironie mit ihrer doppelten Bedeutung aus gemeint und gesagt bzw. getan kann die Lösung dafür nicht sein.

Ironisches Kaufen ist Opium fürs Volk. Ironisches Kaufen ist systemrelevant. Konterrevolutionär. Anders als das emotionslose Kaufen ist das ironische Kaufen emotional doppelt aufgeladen, nämlich mit Lohas-Ideen und linken Dogmen. Ironisches Kaufen ist eine Evolution von Lohas. Das doppelte Lohachen. Mehrkern-Konsumismus.

Ich würde Jan nun nicht in den Gulag schicken für diese Kopfhörer. Wir sind ja alle so. Eine neoliberal gehirngewaschene Generation. Da kann man wenig machen und für das, was kommen könnte – Krisenfolgen, bis ins Gehirn privatisierter Kapitalismus, Rot-Grün –, ist das keine schöne Aussicht.

Ich kann auch keine Handreichungen für richtiges Kaufen geben – außer eben, um Rudi Dutschke ins Feld zu führen: eine Bewusstmachung von Widersprüchen. Und der des ironischen Kaufens ist ein ganz großer Fisch. Hoffentlich ein Ökolachs. Guten Appetit!