Flüchtlingsverteilung in Europa: EU-Ministertreffen ohne Ergebnis

Die EU-Staaten sind nach wie vor uneins in der Frage der Flüchtlingsverteilung. Daran hat auch das Treffen in Luxemburg wenig geändert.

Frauen mit roten Decken umhüllt wärmen sich nach der Rettung

Migrantinnen warten auf einem Rettungsboot in Malaga, Spanien Foto: Jon Nazca/reuters

BERLIN taz | Die EU-Innenminister haben sich auf einem Treffen in Luxemburg am Dienstag nicht auf einen Modus zur Verteilung von Flüchtlingen einigen können, die vor Libyen aus Seenot gerettet werden. „Wir haben die Bitte erhalten, dass sich so viele Staaten wie möglich an dem Mechanismus beteiligen“, sagte die Vorsitzende des Gremiums, Finnlands Innenministerin Maria Ohisalo. Doch nachkommen mochte dieser Bitte vorerst niemand.

Deutschland, Frankreich, Italien und Malta hatten am 23. September einen „Solidaritätsmechanismus“ ausgehandelt. Der sieht vor, dass eine Gruppe von EU-Staaten sich für sechs Monate bereit erklärt, Italien und Malta aus Seenot gerettete Bootsflüchtlinge abzunehmen. Damit soll verhindert werden, dass Rettungsschiffe mit Flüchtlingen weiter tage- oder wochenlang auf hoher See ausharren müssen, bis die Verteilung der Geretteten geklärt ist. Die Vereinbarung sollte allerdings ausdrücklich nicht für die Ägäis und Spanien gelten, wo derzeit viel mehr Flüchtlinge ankommen als in Italien und Malta.

Der Plan geht auf eine Initiative des deutschen Innenminister Horst Seehofer (CSU) zurück, der signalisiert hatte, dass Deutschland gemäß seinem Anteil an der EU-Wirtschaftsleistung 22 Prozent der Ankommenden für ein mögliches Asylverfahren ins Land lassen könne. Auf dem Treffen am Dienstag sollten dann andere EU-Staaten auf freiwilliger Basis ihre Teilnahme zusichern.

„Wir haben eine Reihe von Ländern, die bisher schon mitgemacht haben und wohl auch künftig mitmachen, wie Luxemburg, Irland, Portugal; Litauen hat sich auch sehr positiv eingelassen“, sagte Seehofer nach den Verhandlungen. Eine weitere Gruppe von Ländern wolle sich zunächst über die „technische Umsetzung“ der Malta-Vereinbarung informieren, was am kommenden Freitag geschehen solle. Eine dritte Gruppe schließlich halte die Vereinbarung für gut, habe aber wie beispielsweise Spanien selbst so großen Migrationsdruck, dass sie nicht mitmachen könne.

Erst die Teilnehmer, dann die Quote

Seehofer zufolge kämen zu den vier Staaten der Malta-Vereinbarung potenziell noch rund ein weiteres Dutzend hinzu. „Ich kann Ihnen aber jetzt nicht sagen, dass am Schluss auch zwölf mitmachen.“ Deutschland, Frankreich, Italien und Malta fühlten sich dessen ungeachtet an ihre Vereinbarung gebunden. Wenn also ein neues Schiff mit aus Seenot Geretteten auftaucht, würde mit ihnen nach dieser Vereinbarung verfahren, kündigte Seehofer an. Die Kritik aus Deutschland an seinem Vorstoß sei angesichts der niedrigen Ankunftszahlen „eigentlich beschämend“, sagte er.

Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn stellte eine Beteiligung in Aussicht. Auf eine feste Verteilungsquote wollte er sich aber nicht einlassen: „Erst müssen wir wissen, wie viele Staaten bereit sind zu helfen“, sagte er den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland. „Danach können wir über die Verteilungsquote reden. Je mehr Länder mitmachen, desto weniger Menschen müssen pro Staat aufgenommen werden.“

Einige Länder wie Ungarn und Polen wollen keine Menschen aufnehmen. Andere Länder lehnen ab, dass – wie in Malta vereinbart – auch Migranten verteilt werden sollen, die keine Aussicht auf Asyl haben. Dies betrifft einen großen Teil der Menschen etwa aus Tunesien.

Die eigene Situation ist aus dem Blick geraten

Kritik übte Österreichs Innenminister Wolfgang Peschorn. Er deutete in Luxemburg an, dass der Notfallmechanismus von bisherigen EU-Beschlüssen abweiche. Eigentlich habe man in Europa festgelegt, dass es geordnete Asylverfahren geben, die Außengrenzen geschützt und illegale Schlepperei bekämpft statt belohnt werden sollte, sagte Peschorn.

Griechenland, Zypern und Bulgarien zeigten sich unzufrieden, dass durch die Debatte ihre eigene Situation aus dem Blick geraten sei. „Die östliche Mittelmeer-Route wurde nicht angemessen angegangen“, heißt es in einem am Dienstag veröffentlichten Papier der drei Staaten. Angesichts der viel höheren Zahl der Ankünfte über die östliche Mittelmeer-Route solle die Aufmerksamkeit sich deshalb wieder dem Osten zuwenden. Die drei Staaten wollen einen „wirksamen Umverteilungsmechanismus“ für Ersteinreiseländer „auf allen Migrationsrouten“, einen EU-Mechanismus für Rückführungen und mehr Geld.

Die Seenotrettungs-NGOs zeigten sich am Dienstag enttäuscht darüber, dass es zu keiner Einigung gekommen ist. „Wo sollen wir die geretteten Menschen beim nächsten Einsatz in Sicherheit bringen?“, fragte der Geschäftsführer von SOS Mediterranee Deutschland, David Starke. Eine Lösung, damit aus Seenot gerettete Personen zeitnah an einem sicheren Ort an Land gehen können, so wie es das internationale Seerecht vorschreibt, sei längst überfällig, „um die menschenunwürdigen Hängepartien für gerettete Personen und die Blockade ziviler Seenotrettung endlich zu beenden“, so Starke.

„Schritt in die richtige Richtung“

Die Grünen-Politikerin Luise Amtsberg nannte die Ergebnisse des Treffens einen „Schritt in die richtige Richtung“. Ähnlich sehen es die SPD-Abgeordneten Eva Högl und Achim Post in einer gemeinsamen Stellungnahme. „Allen Schwierigkeiten zum Trotz ist es wichtig, jetzt weiter im Gespräch mit den europäischen Partnern zu bleiben“, heißt es darin. Seehofer habe dafür ihre volle Unterstützung.

Sollte es in den kommenden Wochen nicht gelingen, den Unterstützerkreis der Initiative zu erweitern, sollten notfalls die vier fortschrittswilligen Staaten gemeinsam vorangehen und einen Verteilmechanismus etablieren. Darüber hinaus gilt müsse auch für die unhaltbaren Zustände in den griechischen Flüchtlingscamps kurzfristig eine Lösung gefunden werden.

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