Verborgene Dokumente

BEWEISWÜRDIGUNG Das Oberlandesgericht versucht im Prozess gegen den Kurden Ali Ishan Kitay die politischen Hintergründe möglichst herauszuhalten

„Der Verteidigung wird eines der bedeutsamen Verteidigungsmittel genommen“

CARSTEN GERICKE, VERTEIDIGER

Im Verfahren gegen den Kurden Ali Ishan Kitay (47) wegen „Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung“ (§129b Strafgesetzbuch) bahnt sich ein Disput zwischen Verteidigung und dem Gericht an. Der Vorsitzende Richter Klaus Rühle hatte am letzten Verhandlungstag angekündigt, wesentliche Dokumente, auf die sich die Bundesanwaltschaft in ihrer Anklage stützt, im Selbstlese-Verfahren in den Prozess einführen zu wollen. Die Verteidiger Carsten Gericke und Cornelia Ganten-Langen legten Widerspruch ein, sodass der Prozesstag am heutigen Montag wegen Beratungsbedarf ausfällt.

Ali Ishan Kitay wird vorgeworfen, die in der Türkei verbotene Kurdische Arbeiterpartei (PKK) als Mitglied durch Spendensammlungen in Norddeutschland unterstützt zu haben. Dadurch, dass nur die Prozessbeteiligten die Beweismittel bekommen, werde die Öffentlichkeit faktisch ausgeschlossen, klagt die Hamburger Unterstützergruppe „Bündnis Freiheit“.

„Der Verteidigung wird eines der bedeutsamen Verteidigungsmittel genommen, nämlich die Möglichkeit zu einer unmittelbaren Stellungnahme zu einzelnen Beweismitteln“, erklärt Verteidiger Carsten Gericke. Der Anwalt moniert zudem das juristische Prozedere. Wenn der mit dem Fall befasste Staatsschutzsenat des Hanseatischen Oberlandesgerichts (OLG) eine solches Verfahren geplant habe, dann hätte er dies frühzeitig ankündigen müssen und nicht unmittelbar nach Beginn des Prozesses. Das sei ein „grob ermessensfehlerhaftes“ Vorgehen.

Dass es zu Selbstlese-Verfahren in Mammut-Prozessen nach umfangreicher Beweisaufnahmen kommt, ist prozessual keine Ausnahme, wenn die Papiere letztendlich nur zur Abrundung der anderen Beweismittel dienen. Doch in diesem Fall sollen just die 200 Seiten Dokumente heimlich gelesen werden, die sich mit der Motivation der selbsternannten Kurdischen Freiheits-Kämpfer und deren Bewertung durch Beamte des Bundeskriminalamtes befassen.

Solche Einschätzungen dürften laut geltender Rechtssprechung und auch der bisherigen Rechtssprechung des OLG Hamburg nicht durch bloße Verlesung und schon gar nicht im Selbstlese-Verfahren in einen Prozess eingebracht werden, sagt Gericke. Er hofft auf die Einsicht des Gerichts.  KAI VON APPEN