Ein sanfter Wechsel

Der neue saudische Herrscher wird einen vorsichtigen Reformkurs versuchen. Fraglich, ob das reicht

VON ABDEL MOTTALEB EL HUSSEINI

Der Tod König Fahds hat für klare Verhältnisse im saudischen Haus gesorgt. Der langjährige Kronprinz und faktische Herrscher Abdallah wurde erwartungsgemäß zum Nachfolger erklärt. Dieser sanfte und unspektakuläre Machtwechsel war vielleicht für die saudische Monarchie der einfachste politische Akt. Das reichste Erdölland der Erde steht innen- und außenpolitisch vor großen Herausforderungen.

Das konservative Königreich erlebt innenpolitisch die schwerste Krise seit seiner Gründung im Jahre 1932. Saudi-Arabien, das die islamischen Heiligtümer in Mekka und Medina beherbergt und bisher im Namen des Islam regiert wurde, erlebt seit dem Kuwaitkrieg 1991 eine Legitimationskrise. Bis zu diesem Datum galt Riad für alle Schattierungen des politischen Islam als das einzige islamische Musterland auf der Erde. Für diese Stellung sorgte die Allianz zwischen der saudischen Monarchie und der religiösen Institution, die von den ultrakonservativen Vertretern des Wahhabismus beherrscht wird. Zudem machten die legendären Öleinnahmen die Spendenfreudigkeit der saudischen Herrscher für islamische Projekte fast grenzenlos.

Dieser Zustand hat sich durch den prowestlichen Kurs des verstorbenen Königs Fahd verändert. Die Stationierung von US-Truppen auf saudischem Gebiet 1990 führte zum Bruch zwischen den radikalen Islamisten und dem saudischen Regime. Seitdem erlebt das Land eine tiefe politische Krise. Besonders seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 stehen die saudischen Machthaber zwischen dem Hammer der Islamisten im Inneren und dem Amboss der Amerikaner, die die Bekämpfung des Extremismus verlangen. Die Versuche der saudischen Regierung, durch Predigt und Peitsche den islamistischen Terror zu bekämpfen, sind bisher gescheitert. Abdallah bleibt mit dieser Bedrohung konfrontiert, solange das politische Leben vom Könighaus und den Moscheen monopolisiert wird.

Der neue saudische König steht vor großen sozialen und ökonomischen Problemen. 20 bis 30 Prozent der Saudis sind arbeitslos. Die Kluft zwischen Arm und Reich ist in den letzten Jahren tief geworden. Die Verschlechterung der Sicherheitslage infolge der terroristischen Angriffe der Islamisten vergrößert die wirtschaftlichen Probleme des Landes, das auf ausländische Arbeitskräfte und qualifizierte Kader angewiesen ist.

Die sozialen Probleme tragen angesichts des Fehlens demokratischer Strukturen zur Stärkung des islamistischen Lagers bei. Die Reformversuche der letzten Jahre blieben hinter den Erwartungen der sich entwickelnden saudischen Vertreter der Zivilgesellschaft zurück. Sie werden immer noch von den religiös-konservativen Institutionen blockiert. Die im April 2004 von Kronprinz Abdallah geführte zweite Runde des nationalen Dialogs in Mekka blieb ohne praktische Folgen. Dies gilt auch für die Wahl einer begrenzten Zahl von Vertretern in einigen Kommunen. Die Forderungen vieler saudischer Frauen nach Gleichberechtigung und Verbesserung ihrer Lage blieben bisher von den Vertretern der saudischen Monarchie unerhört.

Saudi-Arabien bleibt auf absehbare Zeit im Widerspruch zwischen modernen materiellen Verhältnissen und mittelalterlichen politischen Strukturen gefangen. Daran kann Prinz Abdallah trotz seiner Dialogbereitschaft nichts ändern.

Außenpolitisch wird König Abdullah nichts an dem jetzigen Kurs ändern. Die Allianz mit den USA bleibt der Grundpfeiler der saudischen Politik. Schon als Kronprinz konnte er die nach dem 11. September entstandenen Schäden im amerikanisch-saudischen Verhältnis reparieren. Das Prinzip billiges Öl gegen militärischen und politischen Schutz verliert trotz der Forderungen der Bush-Regierung nach Demokratie nicht seine Gültigkeit.

Sorgen machen wird der saudischen Monarchie weiterhin die US-Politik in der Region. Die Besetzung des Irak durch die USA und ihre Verbündeten haben zwar zum Sturz des für die Saudis gefährlichen Saddam Hussein geführt. Sie trug jedoch dazu bei, das iranische Regime faktisch zu stärken. Zudem wirkt die Veränderung der politischen Lage im Irak zugunsten der schiitischen Mehrheit auf Saudi-Arabien destabilisierend, wo eine schiitische Minderheit lebt und nach Gleichberechtigung trachtet.

Im israelisch-arabischen Konflikt wird König Abdallah wohl nicht überaktiv werden. Seine höchste Priorität wird mit aller Wahrscheinlichkeit dem Generationswechsel im königlichen Haus gelten. Angesichts seines hohen Alters und der übermäßig großen Zahl der Prinzen keine einfache Aufgabe.