Friedensbaustelle ohne Bauherr

Die Rebellenbewegung SPLA, die Südsudan jetzt regiert, steckte schon vor dem Tod von John Garang in einer tiefen Krise. Zum Frieden hat die Region bisher nicht gefunden

BERLIN taz ■ Der Tod John Garangs trifft Sudans Friedensprozess an einem kritischen Punkt. Nach dem Friedensabkommen zwischen Sudans Regierung und der von Garang geführten südsudanesischen Rebellenbewegung SPLA (Sudanesische Volksbefreiungsarmee) vom Januar sind die Institutionen des Friedens alle erst noch im Aufbau. Weder hat Südsudan schon die vereinbarte Autonomieregierung, noch ist in Sudans Hauptstadt Khartum die vorgesehene Regierung der Nationalen Einheit mit SPLA-Beteiligung im Amt. Es wurde lediglich am 9. Juli John Garang in Khartum als Vizepräsident vereidigt.

Frühestens am 9. August soll in Khartum eine neue Regierung gebildet werden, aber wichtige nordsudanesische Oppositionsparteien haben bereits einen Boykott angekündigt. Südsudan muss sich erst eine Verfassung geben, bevor eine Autonomieregierung entstehen kann. Erst dann können sudanesische Ölgelder nach Süden fließen und den Wiederaufbau ermöglichen.

Südsudans Frieden ist eine chaotische Baustelle, und Garang war der alleinige Bauherr. Schon im Krieg nervte sein als willkürlich empfundener Führungsstil seine Kritiker, und im Frieden war das nicht anders. Im Februar löste Garang das SPLA-Parlament National Liberation Council einseitig auf. Am 18. Juli löste er per Dekret auch sämtliche anderen Führungsgremien seiner Bewegung auf und setzte sämtliche Amtsinhaber ab – außer sich selbst und seinen Stellvertreter Silva Kiir, der jetzt als sein Nachfolger auftritt. Zugleich ernannte er neue Provinzgouverneure – gegen den Willen mancher der Ernannten. Dieser Willkürakt stürzte die SPLA in die tiefste Krise seit Jahren. Für gestern war eigentlich in Südsudans Hauptstadt Rumbek ein Krisengipfel geplant.

Ein zentraler Streitpunkt ist das im Friedensvertrag für das Jahr 2011 vereinbarte Referendum über Unabhängigkeit oder weitere Autonomie des Südens. Jahrzehntelang kämpfte die SPLA für Südsudans Unabhängigkeit, und wichtige Führer, auch Silva Kiir, stehen auch heute noch dafür. Garang hingegen wollte ganz Sudan, nicht nur die Hälfte. Er stand für die Autonomie des Südens – als Zwischenschritt, bis er selbst Präsident des ganzen Landes wird, als Bundesstaat mit Autonomie nicht nur für den Süden, sondern auch für Darfur und andere Gebiete. Ende 2004 kam es darüber zwischen Garang und Silva Kiir fast zum Bruch.

Sollte Silva Kiir als neuer SPLA-Chef bestätigt werden, könnte dies also die ganze Architektur des Friedensprozesses in Frage stellen: Hardliner in Khartum dürften kaum mit einem Sezessionisten zusammenarbeiten wollen. Doch zunächst werden die Karten an der SPLA-Spitze neu gemischt. Garang und Silva Kiir gehören zum Dinka-Volk; andere Volksgruppen, so die historisch mit den Dinka im Dauerstreit liegenden Nuer sowie die Völker der südlichsten Region Äquatoria, haben immer wieder gegen die Dinka-Dominanz in der SPLA protestiert und sind daher im Laufe des Bürgerkrieges manchmal auf die Seite der Regierung gewechselt. Viele von ihnen sind inzwischen wieder zur SPLA gestoßen, in der Hoffnung auf Posten, aber gerade das macht die SPLA instabil.

Mehrere Anläufe zu einem „Süd-Süd-Dialog“, wo die SPLA-Führung mit ihren Gegnern Verhandlungen aufnehmen sollte, sind in den letzten Monaten im Sande verlaufen. Jetzt müsste sich die SPLA eine neue, kollektive Führung geben, um die internen Probleme zu lösen. Dann kann sie vielleicht auch Südsudan Frieden bringen. Bisher kontrolliert die SPLA Südsudan nur zum Teil. Militärs aus Khartum halten Südsudans größte Stadt Juba sowie andere wichtige Städte. In anderen Regionen sind lokale Warlords an der Macht. Der Prozess der Truppenentflechtung und Aufstellung gemischter Einheiten der bisherigen Kriegsparteien begann erst im Juli, ebenso die Stationierung erster UN-Blauhelme.

Von einer Demobilisierung ist noch überhaupt keine Rede. Vielmehr wird von Aufrüstung berichtet, zum Beispiel beim wichtigsten Rivalen der SPLA, der Nuer-geführten SSDF (Südsudanesische Verteidigungskraft). Die SPLA hat neue Kindersoldaten angeheuert. Unter Khartum-treuen Soldaten steigt die Kriminalität, weil sie seit dem Friedensvertrag keine Gefahrenzulage mehr kriegen. Die gesamte Region starrt vor Waffen. Dennoch haben sich hunderttausende Flüchtlinge auf eigene Faust auf den Heimweg gemacht.DOMINIC JOHNSON