Kampf in Erichs Bad

Die neue Mitte sinniert noch über subtile Deutschigkeiten. Derweil bricht der Clash of Civilizations aus, als bonsaihafter Vorbote in Pankows Freibad

Mit dem Feuilleton der Sonntags-FAZ lässt es sich gut Sonnenstrahlen abhalten. Nebenbei kann man lesen. Dass es „vielleicht keinen besseren Ort gebe, über Berlin, Merkel und die diffuse Stimmung von Veränderung nachzudenken, als das Freibad von Pankow“. Nämlich ein Ort, so kitscht es Georg Diez zusammen, der ein Puzzle aus Elementen der DDR („FKK-Wiese“) und der BRD („Kiosk Langnese“) ist. Plötzlich kracht es drüben bei den Becken. Freilich kein Ost-West-Konflikt, sondern ein bonsaihafter Vorbote des clash of civilizations.

Wo eine kräftig geschwungene Wasserrutsche „sich erhebt“ (sic!), saust gerade ein Campingstuhl am kurz geschorenen Schädel eines jungen Mannes vorbei. Die Wirklichkeit bricht sich Bahn in Form marodierender Halbstarker migrantischer Provenienz. Sie giften sich an, sie schlagen und bespucken sich. Eine Hundertschaft von gespieltem und echtem Hass. Mütter rennen kreischend auf die Wiesen. Väter fischen ihre Bälger aus dem Wasser. Zu flott ist die gestikulierende Traube unterwegs. Später verschafft sich Streifenpolizei Überblick.

Der Anteil von Zuwanderern in Berlins Stadtteil Pankow liegt unterhalb der Messbarkeit. Dennoch konnte ein halbes Dutzend Schwimmmeister die Prügelei nicht verhindern, darunter zwei Schränke von Menschen in roten T-Shirts namens „Sicherheit“. Es ging nicht um gestohlenes Eis. Niemand weiß, was eine größere Rolle spielt: die Buhlerei um 12-jährige Mädchen, die wie Nutten herumstolzieren, oder die Revierkämpfe um Schutzgeldbereich in den Umkleidetrakten. Oder das adoleszente Spiel um Ruhm, Ehre und Anerkennung der Migrantenjungs. Die Badegesellschaft scheint jedenfalls reicher als es eine Zweiteilung in Erichs Pankow und Gerhards zugezogene neue Mitte suggeriert.

Eine der interessanten Fragen dieses Nachmittags ist, ob das Stück von Diez auch als Rassismus zu deuten wäre. Ich würde sagen: ja. Kurzfristig ist in Pankow gewiss der Hass deutscher Jungmänner gefährlicher; weil dieser unsichere white trash Rache daran nimmt, dass Taifun und Ali ihm die Mädels ausspannt. Nur geht von der feuilletonistischen Unachtsamkeit die größere Gefahr aus. Denn sie schreibt die deutsche Ignoranz der Gastarbeitergesellschaft fort. Diez spürt einer subtilen Bewegung nach, indem er die „privatistische Mystik des Wandels“ in Deutschland ergründet. Und nimmt keinerlei Notiz von den geschundenen Seelen der Migrationsdeutschen, deren Familien seit drei Generationen nicht viel mehr als Chancenlosigkeit erleben. CHRISTIAN FÜLLER