Engagement gegen das Vergessen

ERINNERUNGSARBEIT Versöhnung und Widerstand gehörten für Franz von Hammerstein zusammen. In der Topographie des Terrors wurde an den Mitbegründer der „Aktion Sühnezeichen“ erinnert

Er war ein Brückenbauer und Netzwerker, der sich der Erinnerung an den Widerstand verschrieb. „Vergesst mir ja die Opfer nicht“, mahnte er und gründete gemeinsam mit Lothar Kreyssig 1958 die „Aktion Sühnezeichen“, um ein Zeichen der Versöhnung in den Ländern zu setzen, in denen Deutschland während des Zweiten Weltkrieges großes Leid angerichtet hatte. Zum seinem ersten Todestag erinnerte jetzt eine Vortragsveranstaltung in der Topographie des Terrors an Franz von Hammerstein.

Widerstehen und Versöhnen sind die zwei Formen des christlichen Handels, die in von Hammersteins Leben eine große Rolle gespielt haben. Er gehörte Jahrzehnte zu den evangelischen Theologen, die sich nach 1945 für eine intensive Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus einsetzten. Aus den persönlichen Erfahrungen seiner Familie und der eigenen Gefangenschaft in verschiedenen Gefängnissen und Konzentrationslagern entstand sein Engagement für den Dialog zwischen Juden- und Christentum und der internationalen Verständigung.

Von Hammersteins Familie hat einen großen Bezug zur Geschichte des politischen und kirchlichen Widerstands. Sein Vater Kurt Freiherr von Hammerstein-Equord trat 1934 als Protest gegen die Machthaber der Nationalsozialisten von seinem Posten als Chef der Heeresleitung zurück; seine zwei älteren Brüder Kunrat und Ludwig waren intensiv an der Planung und Durchführung des Attentats auf Hitler am 20. Juli 1944 beteiligt. Franz von Hammerstein wurde daraufhin verhaftet und in Sippenhaft genommen, ein neues Repressionsmittel, das ab August 1944 systematisch eingesetzt wurde, um auch die Familien und Angehörigen der Drahtzieher des gescheiterten Attentats zu bestrafen.

Nach seiner Befreiung durch die amerikanische Armee entscheidet sich Franz von Hammerstein für ein Theologiestudium – sein Versöhnungswerk beginnt. In seiner Dissertation schrieb er: „Beides ist gleich wichtig: gelebte Wirklichkeit und geglaubte Wahrheit müssen zu der Einheit des Lebens verschmelzen.“ Der Glaube an die Versöhnung und der Widerstand an sich gehören für ihn zusammen. So kam es 1958 auch zur Gründung der „Aktion Sühnezeichen“, die durch das Versagen der protestantischen Kirche während des Nationalsozialismus als eine Art Wiedergutmachung und Zeichen der Versöhnung ins Leben gerufen wurde. Die Organisation entstand auf einer Synode, allerdings aber eher an deren Rande. Das Erinnern an den Widerstand während des Nationalsozialismus fiel noch vielen schwer und war gesellschaftlich wenig anerkannt. Nur 70 Unterschriften kamen zusammen. Die Arbeit an der „Aktion Sühnezeichen“ wurde somit wieder zu einer Widerstandshandlung für von Hammerstein. Das Erinnern war ihm eine Herzensangelegenheit, das betonte auch Prof. Dr. Johannes Tuchel, Leiter der Gedenkstätte Deutscher Widerstand, in seinem Vortrag an von Hammersteins Gedenkabend. Sei es die Gründung einer Gedenkstätte im Haus der Wannseekonferenz, für die er sich einsetzte, oder die Idee, das ehemalige Gestapo-Gelände für die Topographie des Terrors zu nutzen: Franz von Hammerstein spürte die Lücken im Gedächtnis der Bevölkerung und schloss sie durch sein großes Engagement gegen das Vergessen.

Christina Steenken

■ Nächster Termin: Donnerstag, 16. August, kommentierte Lesung mit Texten von Franz von Hammerstein. St.-Annen-Kirche, Berlin-Dahlem, 19 Uhr