Der Fluch fossiler Männlichkeit

Der Schauspieler Rudi Rhode arbeitet über „inszenierten Hochstatus“ und das Rätsel Angela Merkel – eine Machtfrau trotz körpersprachlichem Tiefstatus. Auch Lehrer und Straßenbahnreisende können bei ihm einen Rat für kniffelige Lagen bekommen

Wenn der Macho sich auf der Straße inszeniert, will er meist siegen ohne zu kämpfen.

aus Bremen Eva Rhode

Wer dem Schauspieler Rudi Rhode nach seinem Vortrag über Körpersprache gegenüber steht, dem sind plötzlich die eigenen Hände im Weg, und auch die Schulter fühlt sich komisch an. Hängt sie – und signalisiert unsichere Schwachheit? Steht sie soldatisch-männlich zurück, viel zu steif für ein lockeres Gespräch – oder schwankt sie über weibisch gekreuzten Beinen? Verunsichernde Fragen, die der Schauspieler aufwirft – und in theatralen Darstellungen auf die Spitze treibt. Es ist seine Art von „Veröffentlichung“. „Lesen macht dumm“ schreibt der Schauspieler und Kommunikationstrainer provozierend frech auf seiner Website. Tatsächlich lehrt er anders.

In Nullkommanichts hatte er das Publikum im Universum neulich ins Bild gesetzt: Die Szene auf dem Schulhof oder in der Straßenbahn kennt jeder. Mit ungeschickt vollen Händen steht da der eine junge Mann. Ahnungslos. Es nähert sich der andere, Marke junger Macho, T-Shirt, leicht breitbeinig, das Brustbein raus, das Kinn kriegerisch nach vorn gereckt. „Ey Alter, was guckst du so? Willst’ misch anmachen?“, schlendert er näher. Doch wer diesen Showdown auf dem Schulhof oder in der Straßenbahn beobachtet und fürchtet: Jetzt gibt’s eine Schlägerei – der irrt. Das erfährt, wer Rudi Rhode zuhört: „Hier wird Angstlosigkeit nur inszeniert.“ Denn Brust raus – das weiß der Körperkenner, heißt im Tierreich: „Ich zeige dir meine empfindliche Stelle.“ Das machen der Löwe und der Affe – wie heute übungsweise die jungen Männer auf der Straße. „Auch der große Muhammed Ali war ein Meister darin“, lacht Rhode. „So eine Haltung provoziert.“

Vor allem das will der Macho erreichen: Den Rückzug des vermeintlichen Gegners, selten dagegen eine handfeste Auseinandersetzung. „Das ist alles nur inszenierter Hochstatus. Diese Kandidaten wollen ohne Kampf siegen“, schlüpft Rudi Rhode plötzlich in die Haut des Angemachten, kneift die Arschbacken zusammen, zieht die Schultern schützend nach vorn und dreht ab, den Gegner dabei im Blick. Am Platz bleibt der Hirsch allein. Er hat den eigenen Status auf Kosten des andern erhöht.Verletzung findet dabei vor allem symbolisch statt. Nur wenn der eine dem andern zu nahe kommt, der Angemachte dem Löwen oder umgekehrt, kann es bedrohlich werden. „Wer den Raum nicht zurück erobert, der erleidet den Verlust fossiler Männlichkeit“, juxt Rhode über sein eigenes Schauspiel. Dem alten Herrn in der Straßenbahn wäre wohl geholfen, wenn er das wüsste: Er beobachtet nur ein archaisches Schauspiel, dessen Ziel nicht der Kampf ist, sondern Ansehen und Größe zu gewinnen.

„Größe ist Macht“, ruft Rhode dann die Chefetagen und den dicken Dienstwagen auf. „Das ist eine uralte Gleichung“, lümmelt er sich dann unerwartet auf der hinteren Bank eines Klassenzimmers. Ein Flegel wie er im Buche steht. Den Oberkörper zurück gelehnt, die verletzliche Brust ungeniert zur Schau gestellt, Füße erhöht, erlaubt er sich, auf zwei Stuhlbeinen zu wippen. Der aufgebrachten Lehrerin oder dem verärgerten Lehrer tönt er entgegen: „Bloß nicht so spießig sein. Ich sag’ doch gar nichts.“ Tritt der Lehrkörper ein paar Schritte näher, bekommt er zu hören: „Eh, ganz locker bleiben, ganz entspannt!“ Im Publikum lachen zwei Frauen. „Lehrerin?“, schaut Rhode zu ihnen hin. „So lächerlich es klingt, diese Art Schüler hat den Zusammenhang zwischen Entspannung und Hochstatus verstanden.“ Wie dem Schüler beizukommen wäre, dass verrät er an diesem Abend nicht. Dafür gibt er extra Workshops.

Überhaupt ist es mit der Körpersprache wie mit allem, was so geredet wird: Es kann durchaus zweideutig sein. Bestes Beispiel ist Kanzlerkandidatin Angela Merkel. „Die ist mir ein vollkommenes Rätsel“, schüttelt Rhode den Kopf. „Tiefkörpersprache. Mädchenhafte Unterwürfigkeit signalisierend, und zugleich „die totale Machtfrau. Die muss das irgendwo hintun.“

Dabei finde über die Körpersprache der Frauen viel weniger körperliche Invasion statt. „Die beherrschen dafür die verbale Invasion“, lässt er kurz ein paar Zicken auf der Bühne tuscheln – über Abwesende. Und ergänzt, für alle, die es noch nicht wussten: „Je höher der Status von Frauen ist, desto weniger Schmuck tragen sie. Auch das Make-Up wird weniger.“