„Ohne Frieden kein Aceh-Wiederaufbau“

Laut dem Leiter der indonesischen Behörde für den Aufbau der vom Tsunami zerstörten Provinz Aceh, Kuntoro Mangkusubroto, werden bald mit dem Friedensvertrag die Arbeiten richtig losgehen. Bisherige Koordinationsprobleme seien leicht zu lösen

INTERVIEW ANETT KELLER

taz: Kürzlich haben sich Vertreter von Indonesiens Regierung und der Bewegung Freies Aceh in Helsinki geeinigt, am 15. August einen Friedensvertrag zu schließen. Was bedeutet das für den Wiederaufbau der vom Tsunami zerstörten Region?

Kuntoro Mangkusubroto: Der Friedensvertrag wird unsere Arbeit hier enorm erleichtern. Noch gibt es immer wieder Schusswechsel. Zwei ausländische Helferinnen sind vor ein paar Wochen verletzt worden. Sie hatten jedoch das Nachtfahrverbot missachtet. Generell gab es bislang kaum Störungen des Wiederaufbaus. Dass bald auch nachts Transporte fahren können, wird sich positiv auf den Wiederaufbau auswirken.

Bisher sind Friedensgespräche immer gescheitert. Warum sind Sie jetzt so optimistisch?

Wir müssen einfach daran glauben. Ohne Frieden können wir die Provinz nicht wieder aufbauen. Ich bin optimistisch, weil ich glaube, dass diese schreckliche Naturkatastrophe die Menschen hier verändert hat. Sie wollen gemeinsam Aceh bestmöglich wiederaufbauen.

Bei ihrem Amtsantritt Ende April machten Sie Schlagzeilen mit dem Satz: „Hier ist überhaupt noch kein Wiederaufbau geschehen.“ Wie ist es jetzt?

Die Hilfsorganisationen wissen inzwischen, wo es langgeht, weil wir ihnen die Richtung weisen. Es gibt keine Verwirrung mehr, wer was darf. Den Flüchtlingen war lange nicht klar, ob sie zurück ihre alten Wohnorte dürfen oder nicht. Jetzt dürfen sie. Für den Häuserbau ist alles vorbereitet. 3.500 im Bau befindliche Häuser sind zwar nicht viel im Vergleich zu den benötigten 120.000. Es wird vielleicht noch zwei Monate dauern, bis der Wiederaufbau sichtbar wird, aber es bewegt sich was. In den letzten drei Monaten wurden 3,2 Milliarden US-Dollar internationale Hilfsgelder freigegeben. Das ist bereits ein enormer Teil der insgesamt zugesagten 7 Milliarden.

In Aceh geht es bisher sehr langsam voran. Viele Opfer klagen über eine zu langsame Bürokratie, aber auch über internationale Organisationen, die viele Treffen veranstalten, viel versprechen und dann wieder verschwinden.

Solche Probleme sind verständlich. Eine halbe Million Flüchtlinge leben in Baracken, Zelten oder bei Verwandten. Seit sieben Monaten erleben sie, wie Organisationen zu ihnen kommen, fragen, was sie benötigen. Dann sind die wieder weg und es passiert erst mal nichts. Das verursacht Enttäuschung. Aber die Organisationen müssen sich erst einen Überblick verschaffen, wo noch Hilfe gebraucht wird. Deswegen erstellen wir eine Datenbank, wer was wo bauen will. Wenn am geplanten Ort noch Hilfe benötigt wird und noch keine andere Organisation aktiv ist, können die Helfer loslegen.

Es wird kritisiert, zu viele Hilfsgelder gingen in den Häuserbau. Wie verhindern Sie schlechte Koordination?

Dass in einen Bereich zu viel Gelder fließen, ist leicht zu verhindern, weil wir ja wissen, wer wo aktiv werden will. Außerdem gibt es einen Standard für Häuser: Sie dürfen nicht kleiner als 36 Quadratmeter sein. Kleine Abweichungen nach oben dulden wir. Aber wenn jemand 60 Quadratmeter baut, werden wir dem Grenzen setzen. Einige bauen aus Holz, andere aus Stein oder auf Stelzen. Wir wollen das nicht regulieren. Wir bestehen nur darauf, dass in einem Dorf jeweils die gleichen Häuser gebaut werden. Sonst gibt es hinterher garantiert Krach.

Werden weniger attraktive Projekte wie etwa Abwassersysteme zu wenig gefördert?

Der Eindruck ist richtig. Wir sind aber noch in der Planung. Die ist schwer, weil wir unterschiedliche Zahlen über die Flüchtlinge haben. Manche sagen 570.000, andere 520.000 oder nur 420.000. Es ist ja auch nicht leicht, sie zu zählen, weil nicht alle in Lagern leben. Wenn es an die konkrete Projektkonzeption geht, werden wir Überhänge einschränken.

Wie ist die Zusammenarbeit mit deutschen Organisationen?

Da gibt es überhaupt keine Probleme. Wir arbeiten sehr gut mit der deutschen Regierung zusammen und auch mit den Nichtregierungsorganisationen.

Sie sagten mal, die Bürokratie sei nicht nur in Jakarta, sondern auch in Berlin sehr ausgeprägt. Sind die Deutschen zu langsam?

(lacht) Nicht zu langsam, vielleicht zu strukturiert. Die Deutschen sind schon sehr, sehr steif. Anfangs waren sie verwirrt, dass sie nicht mehr mit Jakarta reden müssen, sondern direkt hier mit uns in Banda Aceh. Wir sind ja gerade dafür gegründet worden, dass man sich schnell hier mit uns verständigen kann. Das hat wohl Unsicherheit ausgelöst.