Eritreas Fußballer suchen Asyl: Gefährliche Geringschätzung

Sieben eritreische Nationalspieler sind derzeit auf der Flucht vor dem heimischen Gewaltregime. Die Regierung Eritreas kümmert das wenig.

Mann mit Mütze

Kein roter Teppich für Fußballer, aber für Eritreas repressiven Staatspräsidenten Isaias Afwerki (links) Foto: ap

Seit über sechs Monaten sitzen sieben eritreische Nationalspieler in Uganda fest. Sie haben politisches Asyl beantragt, aber aus Furcht vor Rache der Behörden ihres Heimatlandes halten sie sich lieber versteckt. Abgesetzt haben sich die sieben beim Cecafa Cup, einem Fußballturnier ostafrikanischer Nationen. Eritrea hatte dort für die Verhältnisse einer Nationalmannschaft, die auf Platz 205 der Fifa-Rangliste geführt wird, sehr gut gespielt, zumal sie als schlechtplatziertestes Team ins Turnier gingen. Erst im Finale unterlagen die „Red Sea Camels“, so der Name der Auswahl, dem Gastgeber Uganda.

Das ist ein großer sportlicher Erfolg, aber noch lange kein Grund, in das Land, das seit 1993 von Äthiopien unabhängig ist, zurückzukehren. Es scheint, als habe das Regime kein größeres Interesse daran, sich mit guten Athleten zu schmücken und aus deren Erfolgen politischen Benefit zu gewinnen. Immer wieder gibt es Berichte von Spielern, die geflüchtet sind. Kurz vor dem aktuellen Fall hatten sich vier U-20-Auswahlspieler abgesetzt, ebenfalls in Uganda. Das Regime in Eritrea unter Staatspräsident Isaias Afewerki gilt als eines der repressivsten des Kontinents, manchmal ist von einem „afrikanischen Nordkorea“ die Rede. Man schätzt, dass bereits zehn Prozent der Bevölkerung dem Regime entflohen sind.

Immer wieder sind auch hochsymbolische Leistungsträger der Gesellschaft, etwa Spitzensportler, dabei. Die offiziellen Reaktionen darauf sind höchst unterschiedlich. Im Jahr 2009 war fast die gesamte Fußballnationalelf, zwölf Spieler, nach einem Spiel in Kenia untergetaucht; offiziell wurde zunächst alles bestritten, bis der Verband nicht umhin kam, kleinlaut die Flucht seiner Nationalelf zu bestätigen. Als im Oktober 2019 besagte U-20-Spieler abhauten, wurde auf der Website des Fußballverbandes der Trainer zitiert, es sei „bedauerlich, dass sich einige unserer Spieler abgesetzt haben, was die Moral der anderen Spieler tötet“. Und beim jüngsten Fall, die sieben Nationalspieler in Uganda, wurde nichts vermeldet, nichts dementiert. Einfach verschwiegen.

Insgesamt haben sich in den vergangenen zehn Jahren 50 der besten Fußballer des Landes abgesetzt. Doch nicht nur die Flucht von Fußballern scheint der Regierung gleichgültig zu sein. Auch die Flucht von Marathonläufer Weynay Ghebresilasie, bei Olympia 2012 in London noch Fahnenträger, beantragte nach den Spielen in England politisches Asyl. Doch irgendwelche Bemühungen, wonach sich das Regime künftig besonders um Spitzenathleten kümmerte, damit die für eine Befriedung und Ablenkung im Lande sorgten, wurden nicht bekannt.

Besuch von Infantino

Warum reagiert das Regime anscheinend nicht? Beziehungsweise, was die verängstigten Sportler befürchten, die sich derzeit in Uganda verstecken, warum bedroht es Athleten, die sich bereits ins Ausland abgesetzt haben? Dass sich der diktatorisch regierende Staatspräsident Isaias Afewerki gar nicht um Fußball kümmerte, lässt sich nicht behaupten. Erst vor zwei Jahren war Gianni Infantino, Präsident des Weltfußballverbandes Fifa, nach Eritrea gereist und hat sich anregend mit Afewerki über die Förderung des Fußballs unterhalten.

Und als sich die U-17 im Jahr 2007 erstmals für die Afrikameisterschaft qualifizierte, übergab Afewerki persönlich jedem Spieler eine Prämie von umgerechnet über 3.000 US-Dollar. Doch aus dieser Sportpolitik nach bekanntem Muster folgt in Eritrea nicht allzu viel. Auch die nationale Meisterschaft, die Eritrean Premier League mit zwölf Teams, wurde zwischen 2014 und 2018 nicht ausgetragen. Im vergangenen Jahr, 2019, holte Rekordmeister Red Sea FC wieder den Titel.

Es gibt Experten, die auf den Befreiungskrieg gegen Äthiopien, der bis 1991 andauerte, verweisen. Da hätte Fußball eher zu gewalttätigen Konflikten geführt, weshalb die eritreische Volksbefreiungsfront (EPLF), deren heutiger Chef Isaias Afewerki ist, die Vereine bat, den Spielbetrieb zu stoppen.

Kann sein, dass es spezifische eritreische Gründe sind, die das Regime von Isaias Afewerki dazu bewegen, den Fußball gering zu schätzen. Kann aber auch sein, dass gerade die politische Kraft, die ein demokratischer und egalitärer Fußball mit seinen oft leidenschaftlichen Anhängern besitzt, hilft, Diktatoren wegzufegen. Gerade, wenn sie diesen Sport unterschätzen.

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Jahrgang 1964, Mitarbeiter des taz-Sports schon seit 1989, beschäftigt sich vor allem mit Fußball, Boxen, Sportpolitik, -soziologie und -geschichte

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