Missstände in Fleischwirtschaft: Werkverträgen geht es an den Kragen

Wegen vermehrter Corona-Ausbrüche auf Schlachthöfen hat die Groko ein Verbot von Werkvertrags- und Leiharbeit in der Fleischbranche beschlossen.

Geschlachtete Schweinehälften hängen an metallenen Haken, dahinter sieht man verschwommen einen Schlachter

Die Corona-Ausbrüche in Fleischfabriken erzeugten auch Diskussionen über die Arbeitsbedingungen Foto: Wolfgang Rattay/reuters

Nachdem sich Corona-Ausbrüche in Schlachthöfen gehäuft haben, will die Bundesregierung nun die Missstände in der Fleischindustrie angehen. Am Mittwoch hat das Kabinett einen Gesetzentwurf von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) verabschiedet, der die Beschäftigung von Werkvertrags- und Leiharbeitnehmern in der Branche ab kommendem Jahr grundsätzlich untersagt. Der Minister sprach nach dem Beschluss von einem „guten Tag für den Arbeitsschutz“.

Konkret sieht das Gesetz vor, dass künftig in Unternehmen mit einer Größe an 50 Beschäftigten aufwärts nur noch diejenigen Mitarbeiter Tiere schlachten und zerlegen dürfen, die fest angestellt sind. Der Einsatz von Werkvertragsarbeitern soll ab 1. Januar verboten sein, der von Leiharbeitnehmern ab 1. April 2021.

Zuletzt hatte es vermehrt große Infektionsausbrüche in Schlachtbetrieben gegeben. Allein bei dem Fleischproduzenten Tönnies in Westfalen hatten sich im Juni 1.400 Mitarbeiter mit dem Coronavirus infiziert. Die Massenausbrüche warfen abermals ein Schlaglicht auf die lange schon kritisierten Arbeitsbedingungen in den Fleischfabriken. Viele Beschäftigte kommen aus Osteuropa und sind nicht fest angestellt, oft müssen sie in unwürdigen Unterkünften hausen.

Auch hier will Heil ansetzen. So sieht sein Gesetzentwurf Mindestanforderungen für die Unterbringung von Beschäftigten in Gemeinschaftsunterkünften vor, die auch außerhalb des Geländes eines Unternehmens gelten sollen. Diese sind branchenübergreifend geplant. „Niemand soll in verschimmelten oder überbelegten Zimmern leben müssen“, sagte der Minister.

„Historische“ Neuregelung

Darüber hinaus soll die Zahlung des Mindestlohns besser überprüft werden können. Das Gesetz beinhaltet eine Pflicht zur digitalen Arbeitszeit­erfassung in der Fleischindustrie. Der entsprechende Rahmen für Bußgelder wird von 15.000 Euro auf 30.000 Euro verdoppelt. Generell soll es mehr Kontrollen geben.

Vertreter der Fleischindustrie kritisierten den Beschluss erwartungsgemäß. So kündigte Otto Ripke vom Zentralverband der Geflügelwirtschaft eine „sorgfältige juristische Prüfung“ an. „Was da beschlossen wurde, darf wirklich nicht wahr sein“, sagte er. Die Regierung setze die Fleischproduktion in Deutschland aufs Spiel.

Branchenvertreter befürchten zudem, dass das Gesetz Fleischprodukte teurer machen könnte. Arbeitsminister Heil wies diese Einwände als „Ammenmärchen“ zurück. „Anständige Arbeitsbedingungen an sich verteuern das Fleisch nicht“, erklärte der Minister.

Lob kam dagegen von der Arbeitnehmerseite. Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten nannte die Neuregelung „historisch“. Gewerkschaftsvize Freddy Adjan forderte „in einem zweiten Schritt“ bundesweite Tarifverträge für die Branche.

Die Besserung kommt erst in fünf Jahren

Auch die Oppositionsparteien im Bundestag lobten Heils Entwurf grundsätzlich. So sprachen die Grünen-Abgeordneten Beate Müller-Gemmeke und Friedrich Ostendorff in einer gemeinsamen Erklärung von einem „nötigen und wichtigen Schritt“. Gleichzeitig betonten sie, dass der Entwurf „auf keinen Fall durch Lobby-Einfluss verwässert werden“ dürfe.

Jutta Krellmann von der Linken begrüßte den Beschluss zwar, kritisierte aber, dass eine Kontrollquote erst ab 2026 vorgesehen ist: „Fünf Jahre ändert sich nichts.“ Johannes Vogel von der FDP mahnte ebenfalls Nachbesserung bei den Kontrollen an. Damit das Gesetz in Kraft treten kann, müssen Bundestag und Bundesrat noch zustimmen.

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