Sarrazin, Schule und andere SPD-Sorgen: Der marode Zahn muss raus

Sarrazin wurde aus der SPD ausgeschlossen, will aber bleiben. Einige Schulferien enden, aber keiner will hin. Wenigstens Instagram wird normal.

Saskia Esken im Porträt

Parteichefin Esken springt Scholz im Zuge der #nolaf-Tweets zur Seite Foto: Uli Deck/dpa

taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche?

Friedrich Küppersbusch:

Polizei sichert Verschwörern Meinungs- und Versammlungsfreiheit.

Und was wird besser in dieser?

Polizei braucht Seminare „Wie man mit Lob von Liberalen und Linken zurechtkommt“.

Die Schule fängt kommende Woche in mehreren Bundesländern wieder an. Mecklenburg-Vorpommern macht den Anfang. Und zwar ohne 1,50-Meter-Regel. Mutig oder einfach resigniert?

Kleine Lerngruppen, kontinuierliche Projektarbeit, mehr digitaler Unterricht, sorgfältige Hygiene – Bildungsplaner wären froh gewesen, das endlich durchzusetzen. Wenn allerdings ich meinem Kind diese Schultüte der Verheißungen in die Hand drücken müsste, ging’s mir schwummrig. Ich dächte an krankmelden, bevor das Kind krank wird.

Seit zehn Jahren versucht die SPD Thilo Sarrazin wegen seines rassistischen Buches aus der Partei zu werfen. Am Freitag hat nun die Bundesschiedskommission darüber beraten und seinen Rausschmiss beschlossen. Doch Sarrazin will bleiben – warum eigentlich?

Fallhöhe. Neutrales Beispiel: Frank Schirrmacher. Die Bücher und Kampagnen des verstorbenen FAZ-Chefs waren nicht deshalb so interessant, weil das meiste schon 20 Jahre früher in der taz stand. Sondern weil er Kapitalismuskritik und Totalitarismuswarnungen aus dem Thinktank des Kapitalismus und dem Herzblatt der Autoritären funkte. Ende des Vergleichs.Schirrmacher nutzte diesen Aufmerksamkeitstrick zur Aufklärung. Sarrazins wichtigstes Thema dagegen ist: Sarrazin. Die Tragödie, wenn am Ende der Karriere noch so viel Ehrgeiz übrig ist. Da springen alte weiße Männer mitunter aus der Spur. Alice Schwarzer, Erika Steinbach, Vera Lengsfeld. Für seine Geltungswut wählte Sarrazin klug den Grundwiderspruch der SPD: Hoch die Internationale, tief die nationalen Gefühle. Die SPD möchte vaterländische Facharbeiter gern mitnehmen und hat doch für diese Politik keine zeitgemäße Begründung mehr zu bieten. Deshalb: 10 Jahre schmerzhafte Wurzelbehandlung, und dann muss der marode Zahn doch raus.

Donald Trump hat erstmals ein Verschieben der Präsidentschaftswahal ins Gespräch gebracht. Dass er dazu nicht berechtigt ist, scheint er nicht zu wissen. Oder ist es wieder ein kalkuliertes Spiel?

Er ärgert uns und saugt seine Crowd an, es ihm gleichzutun: ihn wählen, uns ärgern.

Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) schlägt die Senkung des Wahlalters von 18 auf 16 Jahre vor. Eine gute Idee?

Für die Grünen, ja. Sie sind die stärkste der Parteien zwischen 18 und 24. Die SPD schaut mehr auf die unterdurchschnittliche Wahlbeteiligung der Ersties. Da mag noch was zu holen sein. Unscharfe Grenze: Verteilt die Demokratie erst mal Geschenke, bevor es Pflichten setzt – oder, wenig überraschend, der Standpunkt der Union: erst liefern, dann mitreden. Manche zahlen auch mit 16 schon Steuern, andere pubertieren ein Leben lang die Wahlurne voll. Der Grad der Reife ist darin das lustigste Argument: Warum sollten die wählen dürfen, wenn sie so wählten wie Oma und Opa?

Jetzt auch noch Madonna. Die Pop-Queen teilte das Video einer Ärztin, die das Medikament Hydroxychloroquin als Corona-Heilmittel anpreist, was längst widerlegt ist. Instagram schritt ein und löschte Madonnas Beitrag. Werden in der Coronakrise denn alle verrückt?

Na ja, also Insta wird doch offensichtlich gerade normal.

Am Mittwoch musste Finanzminister Olaf Scholz vor dem Finanzausschuss zu Wire­card aussagen. Er versprach Transparenz und legte am Freitag einen „Aktionsplan“ vor. Zufrieden?

Ein schöner Tag im Leben des Allerangezähltesten: Wirtschaftsminister Altmaier lohnt den Abschuss deutlich weniger, weil er ganz sicher nicht als Kanzlerkandidat kandidiert. Scholz dagegen wird bereits von seiner Parteichefin verteidigt: Gegen „#nolaf“-Tweets, die Esken aus der eigenen Partei blöken hört. Beide Minister werden einen Zeitpunkt suchen, den Chef der Bafin zu opfern. Und bis dahin die Grünen anbetteln: Ohne sie kommt ein Untersuchungsausschuss nur mit Stimmen einer Gruselkoalition zustande: FDP, Linke, AfD. In nächster Zeit sind flammende Bekenntnisse von Olaf Scholz zu R2G zu erwarten.

Und was machen die Borussen?

30 Namen im Kader, einige kenn ich sogar, Saisonbeginn jedes Mal wie Vokabeln lernen. Fragen: cas, pwe

Friedrich Küppersbusch ist Journalist, Produzent und ist gespannt, ob die SPD Sarrazins freie Planstelle verlost.

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Jahrgang: gut. Deutscher Journalist, Autor und Fernsehproduzent. Seit 2003 schreibt Friedrich Küppersbusch die wöchentliche Interview-Kolumne der taz „Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?".

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