Opfer von rechtem Terror in Neukölln: „Angst ist noch größer geworden“

„Fassungslos“ ist Ferat Kocak angesichts der Versetzung zweier befangener Staatsanwälte. Sie haben wohl die Ermittlungen aktiv behindert.

Ein brennendes Auto in einer Garage

Wohl von Nazis in Brand gesteckt: Bild vom Anschlag auf Kocaks Auto 2018 Foto: dpa

taz: Herr Kocak, Sie wurden 2018 Opfer der mutmaßlich rechtsextremen Anschlagserie, die Neukölln seit Jahren erschüttert und bislang nicht aufgeklärt ist. Jetzt wurden zwei Staatsanwälte versetzt, mindestens einer könnte befangen sein. Was haben Sie gedacht, als am Mittwochabend bekannt wurde, dass die Generalstaatsanwaltschaft die Ermittlungen übernimmt?

Ferat Kocak: Damit hatte ich nicht gerechnet. Ich war schockiert. Die Angst ist dadurch noch größer geworden. Die Aussagen stehen seit längerem in den Akten...

Sie meinen, dass einer der zuständigen Staatsanwälte in einer Vernehmung erklärt haben soll, „dass er AfD-nah sei oder AfD-Wähler sei“, wie Generalstaatsanwältin Margarete Koppers bekannt gab. Der Vernommene habe daraufhin einer weiteren Person erzählt, man könne sich „gut aufgehoben fühlen bei der Staatsanwaltschaft wegen dieser Äußerung“.

Genau – und es ist schlimm, das nichts unternommen wurde. Wenn die Ermittlungen seit Jahren nicht vorankommen, weil rechte Tendenzen bei zwei von drei Staatsgewalten zu finden sind – dann bin ich fassungslos. Erst wurde im Juni bekannt, dass ein Berliner Polizist Dienstgeheimnisse an die AfD weitergegeben haben soll. Nun soll nicht nur die Exekutive, sondern auch noch die Judikative ein Problem mit Rechts haben. Das macht für mich und für uns Betroffene alles schlimmer.

Wie reagieren Sie auf die Bedrohung?

Ferat Kocak

„Wir brauchen unbedingt einen Untersuchungsausschuss.“

Ich wechsel bereits ständig meinen Wohnsitz. Nach meinem letzten großen taz-Interview bekam ich wieder Droh-SMS mit dem Wortlaut: „Wir finden dich“. Nun frage ich mich: Staatsanwälte, denen ich eigentlich vertrauen muss, stützen Nazis – wie weit sind die Rechten in unsere Strukturen vorgedrungen? Das LKA sagte mir nach dem Anschlag auf mich vor zwei Jahren, dass es diesmal genug Beweise geben würde, um die Rechtsterroristen zu schnappen. Später hieß es, dass das die Staatsanwaltschaft leider anders sehe. Ich will endlich wissen, was Sache ist. Auch deshalb hatten wir vor ein paar Wochen Beschwerde bei der Generalstaatsanwaltschaft eingelegt.

Sie und Ihre Anwältin hatten Beschwerde eingelegt, weil Sie bis heute keine Akteneinsicht bekommen?

Ja, und darauf hat Generalstaatsanwältin Koppers auch schnell reagiert. Das finde ich gut. Wir brauchen endlich Transparenz.

Jahrgang 1979, ist Kommunalpolitiker der Linken in Berlin-Neukölln. 2018 verübten mutmaßlich rechte Täter einen Brandanschlag auf sein Auto.

Was muss für Sie als Kommunalpolitiker der Linken nun aus der Sache folgen?

Wir brauchen unbedingt einen Untersuchungsausschuss. Wir, die Linke, sollten das jetzt zur Abstimmung stellen, damit wir sehen, wer dafür und wer dagegen ist. Seit einem Jahr hat die Linkeeinen solchen Ausschuss beschlossen – passiert ist seitdem nichts. Die Grünen hatten einen Sonderermittler gefordert, aber das reicht nicht. Es braucht einen Untersuchungsausschuss. Auch wenn die Legislatur nächstes Jahr endet: Es kann nicht sein, dass jetzt dafür keine Zeit mehr sein sollte. Denn: Wenn die drei Parteien – SPD, Grüne und Linke – den Antifaschismus nicht Ernst nehmen: Wer dann?

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