Syndikat soll geräumt werden: Rot-Rot-Grün bekommt die Quittung

Heftige Reaktionen dürfte die angekündigte Räumung der Kiezkneipe hervorrufen. Die Polizei sperrt den Bereich weiträumig ab. Protest angekündigt.

Polizist setzt Pfefferspray gegen Demonstrierende am 01.08.2020 ein

Regenschirme gegen Pfefferspray dürften sich auch heute Nacht auszahlen Foto: Fabian Sommer/dpa

BERLIN taz | Nach 35 Jahren könnte die Geschichte der linken Nachbarschaftskneipe Syndikat in Neukölln enden. Für Freitag um 9 Uhr ist die Räumung angesetzt. Die Kneipe, die als Kiez-Institution gegen Gentrifizierung und Verdrängung gilt, zieht über den Schillerkiez hinaus viele Un­ter­stüt­ze­r*in­nen in Berlin an – wie sich zuletzt bei einer Demonstration gegen die drohende Räumung vergangenen Samstag zeigte, an der etwa 2.500 Menschen teilnahmen. Der Protest dagegen scheint der symbolträchtigste des Jahres.

Wohl genau deshalb und um die vom Syndikat geplante „Lange Nacht der Weisestraße“, die am Donnerstagabend, dem Vorabend zur Räumung stattfinden soll, unter Kontrolle zu halten, verlegte die Polizei das Straßenfest in eine Nebenstraße. Die angemeldete Kundgebung, bei der An­woh­ne­r*in­nen und Ak­ti­vis­t*in­nen versuchen wollten, die Räumung zu blockieren, sollte ursprünglich direkt vor dem Syndikat von Donnerstagabend 20 Uhr bis Freitag 10 Uhr stattfinden. Am Donnerstagmittag sperrte die Polizei dann die Straße vor der Kneipe mit Absperrgittern weiträumig ab.

„Neukölln bekommt seine erste ‚Rote Zone‘. Unter einem Rot-Rot-Grünen Senat“, kommentierte das Syndikat die Absperrung auf Twitter. Die Kiezkneipe hatte zuvor eine Eilklage gegen die Verlegung des Straßenfestes an die nächste Straßenecke eingereicht. Ob diesem wider Erwarten stattgegeben werden würde, stand bis Redaktionsschluss noch aus. Sollte die Klage keinen Erfolg haben und um dem „rot-rot-grünen Trauerspiel in viel zu vielen Akten“ etwas entgegenzusetzen, organisiert die Kneipe verschiedene Anlaufpunkte und Aktionen im Kiez.

Der Mietvertrag für das Syndikat lief Ende 2018 aus, aber das Kollektiv hatte sich geweigert, die Räumlichkeiten zu verlassen. Stattdessen deckte es auf, dass hinter ihrer nicht ansprechbaren Eigentümerfirma, die lediglich einen Briefkasten in Luxemburg unterhält, ein Londoner Immobilienimperium steht. Recherchen des Syndikats ergaben, dass Pears Global über viele verschiedene Scheinfirmen mehr als 3.000 Wohnungen in der Stadt gehören. Von einer möglichen Enteignung der großen Immobilienkonzerne wäre somit auch Pears Global betroffen.

Sommer der Räumungen

Um den zu erwarteten Imageschaden für den rot-rot-grünen Senat etwas abzuwenden, verkündet Werner Graf, Vorsitzender der Grünen Berlin, derweil, dass es Aufgabe der Politik sei, „solche Orte in unserer Stadt besser zu schützen oder zumindest geeignete Ersatzobjekte zu finden“. Weshalb er den Senat auffordert, „die Suche nach alternativen Standorten in räumlicher Nähe zu intensivieren“. Vor dem Hintergrund einer jahrelangen Vorgeschichte ein schon unverschämtes Statement, das wohl nichts besser machen dürfte.

Neben dem Syndikat drohen weiteren linken Projekten in Berlin, wie dem Jugendzentrum Potse, dem queerfeministischen Hausprojekt Liebig 34 und der Kreuzberger Kneipe Meuterei die Räumung. Die Szene ist alarmiert. „Wir werden den Sommer der Räumungen nicht einfach so hinnehmen“, sagt Lukas Selchow vom Syndikat der taz.

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