Facebook und Donald Trump: Wahrheit als Geschäft

Facebook hat zum ersten Mal einen Post von Donald Trump gelöscht. Das politische und ökonomische Kalkül hinter dem Schritt ist komplex.

Trump probiert eine Schutzmaske an

Trump besucht im Mai eine Ford-Fabrik, die während der Pandemie auch Gesichtsmasken herstellt Foto: Leah Millis/Reuters

Aus der Kampagne zur Wiederwahl des US-Präsidenten Donald Trump heißt es erbost: „Ein weiterer Tag mit einer weiteren Demonstration der ungeheuerlichen Voreingenommenheit des Silicon Valley gegen diesen Präsidenten.“ So kommentierte eine Sprecherin die Löschung eines Facebook-Posts von Trump. Darin teilte dieser einen Interviewausschnitt, in dem er ohne jegliche Belege und entgegen gängigen wissenschaftlichen Erkenntnissen behauptet, dass Kinder weitestgehend immun gegen das Coronavirus seien.

Es ist bekanntermaßen nicht das erste Mal, dass der Präsident Unwahrheiten, Unsinn oder offene Lügen verbreitet und dafür soziale Medien nutzt. Tatsächlich gelöscht wurde bisher jedoch noch kein Post Trumps auf Facebook. Anders als bei Twitter, wo seit einigen Wochen deutlich strenger mit den Hassbotschaften und Faktenverdrehungen Donald Trumps verfahren wird. Dort teilte die Wahlkampagne dasselbe Video und wurde dafür bis zur Löschung des Tweets gesperrt.

Beide Netzwerke demonstrieren mit ihrem Vorgehen eine aktuell zumindest im Falle der Pandemie erhöhte Sensibilität gegenüber Falschbehauptungen. Trumps implizite Werbung für die innere Anwendung von Desinfektionsmitteln gegen das Virus jedoch steht seit Monaten bei Face­book online.

Immerhin, seine auf keinerlei Fakten basierenden Behauptungen von Betrügereien bei Briefwahlen werden vom Netzwerk mit Links zu neutralen und sachlich korrekten Wahlinformationen ergänzt. Ansonsten aber hält man sich sehr strikt an die Vorgabe des Gründers Mark Zuckerberg, dass Facebook nicht darüber zu entscheiden habe, welche Botschaften von Politiker*innen veröffentlicht werden dürften, ganz unabhängig von ihrem Wahrheitsgehalt.

Druck von allen Seiten

Ob die Premiere der Löschung da eine Änderung ankündigt, werden die kommenden Wochen zeigen. Bis zur Wahl im November ist es noch ein bisschen hin, und die wiederholten Drohungen des Präsidenten gegen die sozialen Netzwerke dürften Zuckerberg weiterhin besorgen. Schließlich kann ihm Trump mit prä­si­dia­len Verfügungen, selbst wenn die nur kurz Bestand hätten, das Leben sehr schwer machen. Andererseits steigt auch der Druck vonseiten der Demokratischen Partei. Erst in der vergangenen Woche mussten sich die Chefs der großen Technologiekonzerne im Kongress gegen Vorwürfe der Monopolbildung und des unfairen Wettbewerbs verteidigen.

Sollten die Demokraten im November das Weiße Haus und Mehrheiten in Senat und Abgeordnetenhaus erringen, brächen schwierige Zeiten für Facebook an. Denn allem Lobbying der Branche zum Trotz müsste diese sich dann auf den Versuch einer stärkeren Regulierung bis hin zur Zerschlagung der größten Konzerne einstellen. Insofern können öffentlichkeitswirksame Beschränkungen der schlimmsten Ausfälle Trumps wie die aktuelle auch als Investition in eine ansonsten potenziell ungnädige Kongressmehrheit verstanden werden.

Entgegenkommen scheint dringend geboten zu sein. Denn auch wenn republikanische Po­li­ti­ker*in­nen gerne behaupten, sie und ihre Inhalte würden in den sozialen Netzwerken benachteiligt, ist eher das Gegenteil der Fall. Jeden Tag zählen die Posts Konservativer und Rechtsradikaler zu den erfolgreichsten Beiträgen auf Facebook. Dass alle Netzwerke die Reichweite rechter Hassrede und Desinformation geradezu systematisch verstärken, gehört inzwischen zum Allgemeinwissen.

Erst am Mittwoch wurde bekannt, dass die Facebook-Tochter Instagram im Empfehlungsalgorithmus den demokratischen Präsidentschaftskandidaten Joe Biden nachweisbar schlechter behandelt als Trump. Bei der Suche mit den Hashtags #DonaldTrump oder #Biden wurden in den vergangenen Wochen für Trump vornehmlich wohlwollende Posts präsentiert, zu Biden hingegen auch viel Kritik und Schmähungen.

Eine Instagram-Sprecherin bezeichnete die Ungleichbehandlung als „bug“, als Fehler also. Dieser fiel jedoch erst durch unabhängige Beobachtung auf. Man bemühe sich, das Problem zu beseitigen, hieß es. Man könnte also sagen: Ein weiterer Tag mit einer weiteren Demonstration der Unfähigkeit des Silicon Valley, mit den dunklen Seiten seiner Macht verantwortungsvoll und transparent umzugehen. In einem dramatischen US-Wahljahr ist das keine sehr beruhigende Botschaft.

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