Katja Kipping über Olaf Scholz: „Wir schenken der SPD nichts“

Linken-Chefin Katja Kipping will die SPD zwar weiter kritisieren, aber nicht für die Fehler der Vergangenheit. Sie strebt ein rot-rot-grünes Bündnis an.

Politikerin Katja Kipping.

„Ich klinge immer freundlich.“ Katja Kipping, Parteivorsitzende der Linken Foto: Stefanie Loos

taz: Frau Kipping, was halten Sie vom SPD-Kanzlerkandidaten Olaf Scholz?

Katja Kipping: Ich bin nicht die Zielgruppe, ich wähle die Linke und nicht die SPD. Mich muss er also nicht überzeugen, sondern potenzielle SPD-WählerInnen und am besten auch noch Wechselwähler von der CDU. Aber was ich beeindruckend finde, ist die Einigkeit, mit der SPD-Spitze und -Vorstand in diesen Prozess gegangen sind. Diese Einigkeit strahlt Entschiedenheit aus.

Wir hätten mehr Kritik erwartet. Ihre Partei, die Linke, ist die entschiedenste GegnerIn der Hartz-IV-Politik und Olaf Scholz steht wie kein anderer für die Politik der Agenda 2010 und war an dieser beteiligt.

Wenn sich Olaf Scholz jetzt für Dinge einsetzt, die in diese Richtung gehen, wird er von uns heftige Kritik einstecken müssen. So wie auch Hubertus Heil, der SPD-Sozialminister, dessen Verarmungspolitik bei den Hartz-IV-Regelsätzen bei uns auf erbitterten Widerstand stößt. Wir schenken der SPD als Linke nichts. Der Wahlkampf wird kein Kuschelkurs. Aber es ist dennoch wichtig, immer mal wieder daran zu erinnern, dass es darauf ankommt, die Union und die hinter ihr stehenden Lobbygruppen in die Opposition zu schicken. Und dazu müssen wir deutlich machen, was wir zusammen, Linke und SPD, an sozialem Fortschritt und an Abrüstung bewirken können.

Es gehörte zum Ritual bei der Linken, sich stets kräftig an der SPD abzuarbeiten. Das ist nun passé?

Wo Kritik notwendig ist, wird es die in voller Schärfe geben. Aber SPD und Linke haben in der Vergangenheit sehr viel Energie darauf verwendet, jeweils zu sagen, was sie am anderen stört. Ich glaube, viele Menschen im Land sind davon genervt und sagen, dieses Ritual haben wir lange genug erlebt. Die Leidenschaft bei mir zielt daher auf Inhalte und darauf, welche sozialen Veränderungen und welchen sozialökologischen Fortschritt wir in die Wege leiten können. Das ist für mich der Maßstab und nicht die Fehler der Vergangenheit.

Sie klingen wirklich sehr freundlich …

Ich klinge immer freundlich. Aber meine Höflichkeit sollte man nicht mit mangelnder Durchsetzungskraft verwechseln.

geboren 1978 in Dresden, ist seit 2005 Mitglied des Deutschen Bundestages und seit 2012 gemeinsam mit Bernd Riexinger Vorsitzende der Partei Die Linke.

… in Sachen Scholz. Ist es für die Linke nicht auch einfacher, gegen einen rechten SPDler anzutreten, anstatt gegen eine SPD mit einer linken SpitzenkandidatIn?

Aus einer Vielzahl von Gesprächen mit Menschen, die unter Hartz IV leiden, weiß ich, dass ihnen das permanente Schimpfen allein nicht weiterhilft. Sie brauchen Veränderungen, sie brauchen Sanktionsfreiheit, gute Arbeit und garantierten Schutz vor Armut. Solche Veränderungen bekommen wir nur hin, wenn wir soziale Mehrheiten links der Union schaffen. Mein Maßstab an die SPD und Olaf Scholz ist: Sind sie bereit, mit uns diesen Kurswechsel einzuleiten.

Noch mal: Macht es ein rechter SPD-Spitzenkandidat der Linken im Wahlkampf leichter, sich zu profilieren?

Ob der Wahlkampf dadurch leichter wird, weiß ich nicht. Mein Wahlkampf wird darauf ausgerichtet sein, die Linke zu stärken. Ich finde die klare Entschiedenheit der SPD-Spitze wichtiger, die gesagt hat, wir brauchen ein progressives Lager. In diesem Zusammenspiel kann es uns gelingen, die Grünen stärker unter Druck zu setzen und Leute dafür zu begeistern, dass ein sozialökologischer Systemwechsel tatsächlich durchsetzbar ist.

In der Großen Koalition hegt die SPD immer große Sympathie für Rot-Rot-Grün, die umso kleiner wird, je näher die Wahl rückt. Wird es 2021 anders sein?

Wer auf Nummer sicher gehen will, dass nicht doch wieder die CDU den Kanzler stellt, sollte die Linke wählen. Ich stelle keinen Garantiescheck auf die SPD aus. Aber mein Eindruck aus persönlichen Gesprächen ist, dass die beiden SPD-Vorsitzenden glaubwürdig eine inhaltliche Neuausrichtung anstreben.

Sie werben seit einiger Zeit beharrlich für eine Regierungsmehrheit links der Union, also mit Linken, Grünen und SPD. Wird ein solches Bündnis mit Scholz einfacher oder noch schwieriger?

Dieses Ziel gebe ich nicht wegen einer Personalie auf. Für neue linke Mehrheiten braucht es Leute, die dafür brennen, es braucht Bewegungen, die Druck machen für soziale Sicherheit, Klimaschutz und Friedenspolitik. Und es muss natürlich am Ende auch numerisch stimmen.

Können Sie persönlich mit Olaf Scholz?

SpitzenpolitikerInnen sollten immer in der Lage sein, professionell miteinander zu agieren. Als Parteivorsitzende hatte ich bisher eher einen guten kommunikativen Draht zu den beiden SPD-Vorsitzenden Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken.

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