Hier ist Berlin

Die Trinkgeldfee (IV)

Letzte Woche überraschte die Trinkgeldfee, eine Bedienung in einem angesagten Café in Mitte, auf der Grenze zu Prenzlauer Berg, mit gutem Service. Heute zieht sie Unterscheidungen zwischen den Gästen.

Sie hat das bestellte Alster vergessen, doch solange ein Bruchteil der bestellten Getränke noch den Tisch erreicht, schweigen die Gäste. Nur zwei nicht, die sich im Laufe der Konversation als Werbemittelvertreiber aus Düsseldorf outen.

Erster Gast: Mensch, das ist aber nicht so schön hier. Steht das Auto eigentlich sicher, hier in der Gegend?

Zweiter Gast: Klar. (Pause) Mann, wo bleibt denn das Bier? Flott sind die hier aber nicht.

Erster Gast: Das dauert ja.

Zweiter Gast: Nehmen wie überhaupt noch eins?

Erster Gast: Nee, lass uns mal zum Ku’damm fahren.

Zweiter Gast: Rechnung bitte!

Die Trinkgeldfee bringt die Rechnung und gibt sich mit einem minimalen Trinkgeld zufrieden. Wir entdecken, dass sie sich von der Auftragslage unabhängig gemacht hat und nur den adäquat bedient, den sie für würdig empfindet. TEN

VERDAMMTE GEGENWART

U-Bahn-Linie 2, zwischen Bülowstraße und Gleisdreieck. Ein Mann, etwa 40, angetrunken, betritt die Bahn und murmelt schwer Verständliches. Er ist obdachlos und arbeitslos; er bittet um Geld. Mutter und Kind beäugen ihn kritisch.

Kind: Mama, ist der betrunken?

Mutter: Er ist obdachlos.

Kind: Ist das das Gleiche?