Umstrittene Agrarreform in Indien: Bauern fürchten um Mindestpreise

Indische Bauernorganisationen und die oppositionelle Kongresspartei protestieren vergeblich gegen eine Liberalisierung der Landwirtschaft. 


Traktoren blockieren eine Straße

Bauernprotest in Rohtak, Indien am Sonntag Foto: Manoj Dhaka/Hindustan Times/imago

MUMBAI taz | „Nehmt das Antibauerngesetz zurück“, steht auf einem der Protestschilder der Bauernorganiation AIKSCC, die zur Zeit im Norden Indiens zu sehen sind. Der coronabedingte Lockdown hat bereits viele Landwirte hart getroffen: Lieferketten wurden unterbrochen, Erntehelfer blieben teilweise aus. Nun fürchten sie, dass eine am Sonntag in beiden Kammern des Parlaments verabschiedete Agrarreform sie zwingt, ihre Produkte unter dem Mindestverkaufspreis abzugeben.

Aufgebrachte Bauern marschierten am Sonntag Richtung Parlament in der Hauptstadt Delhi. Sie wurden aber an der Stadtgrenze gestoppt. Im Agrarstaat Punjab („Indiens Brotkorb“) wie im angrenzendem Haryana gab es große Proteste. Traktoren blockierten Straßen. Haryanas Polizei setzte Wasserwerfer ein.

Die Regierung argumentiert, mit der Reform würden Zwischenhändler umgangen, was den Bauern nütze. Denn sie können künftig direkt Verträge mit Unternehmen abschließen und müssten ihre Produkte nicht mehr nur an preisgebundene staatliche Märkte abgeben. Gerade erst haben zwei der größten indischen Konzerninhaber ihr Interesse am Lebensmittel- und Agrareinzelhandel bekundet.

Die Opposition fürchtet, dass künftig statt des Staates Konzerne die Preise regulieren. „Landwirte sind keine Analphabeten. Sie verstehen, dass dies eine Möglichkeit ist, die Mindestpreissicherung abzuschaffen“, sagte Kongresspolitiker Pratap Singh Bajwa. Sobald die Reform verabschiedet sei, würden die Konzerne der Ambanis und Adanis in den Markt eintreten, was Baiwa als Todesurteil für viele Bauern beschreibt.

Regierungsfraktion nutzt Chaos im Oberhaus

Nachdem im Oberhaus eine direkte Abstimmung über die Gesetzesänderung abgelehnt wurde, zog der empörte Abgeordnete Derek O’Brien mit dem Gesetzentwurf zum Pult des Vizevorsitzenden und versuchte es, zu zerreißen. Zwei andere Abgeordnete kletterten auf einen Tisch.

Die TV-Übertragung des Chaos im Oberhaus, in der die Regierung keine Mehrheit hat, wurde auf stumm geschaltet und dann wurden zwei von drei neuen Gesetzen durchgewunken. Acht Oppositionsmitglieder wurden wegen Unruhestiftung suspendiert.

Am Montag gingen 
die Proteste weiter. „In den Gesetzentwürfen zur Agrarwirtschaft wird die Abschaffung des Mindestpreises nicht erwähnt“, verteidigt der Regierungspolitiker Dushyant Chautala aus Haryana die Reform.

Premierminister Narendra Modi spricht von einem „Wendepunkt für Indiens Landwirtschaft“. Doch haben viele Bauern Angst. Sie rufen für den 25. September zu einem landesweiten Streik auf.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.