Aktionen von Ende Gelände im Rheinland: Im Morgengrauen zur Blockade

Trotz Corona blockiert Ende Gelände dieses Wochenende wieder den Braunkohletagebau im Rheinland. RWE-Mitarbeiter agieren aggressiv.

Aktivistin mit weißem Maleranzug und orangenem Halstuch und Atmenschutzmaske

Aktivist*innen des orangenen Fingers von Ende Gelände bei der Aktion in Garzweiler am 26. September Foto: David Young/dpa

GARZWEILER taz | „Das bringt doch nichts“, sagt der Polizist zu seinem Kollegen, „Rückzug!“ Sie sind nur zu zweit, er steigt wieder in den Polizeiwagen, schlägt die Tür zu, und sie fahren weg. Die 200 Menschen in den weißen Maleranzügen können ihren Weg über die kleine Landstraße in der Dunkelheit ungestört fortsetzen. Ihr Ziel: Garzweiler, der größte Kohletagebau Europas, gut 30 Kilometer südwestlich von Düsseldorf.

Aus den Camps, die in diesem Jahr wegen der Coronahygienemaßnahmen klein und dezentral im rheinischen Braunkohlerevier verteilt sind, sind am Samstagmorgen, 26. September, weit vor Sonnenaufgang mehrere Demozüge losgezogen. Wie in jedem Herbst oder Spätsommer seit 2015 haben die Klimaaktivist*innen von Ende Gelände auch in diesem Jahr wieder zu Aktionen des massenhaften zivilen Ungehorsams im Rheinland aufgerufen.

Rund 3.000 Aktivist*innen sind dabei – halb so viele wie im vergangenen Jahr, aber dennoch viele angesichts der Coronapandemie und des kalten Regenwetters. Etwa die Hälfte von ihnen nutzt die Dunkelheit der frühen Morgenstunden und bricht zwischen vier und sechs Uhr morgens auf. Wie es bei Ende Gelände-Aktionen bereits gut erprobte Praxis ist, haben die Aktivist*innen sich in nach Farben benannten „Demofingern“ à 200 Personen aufgeteilt.

Mit Sonnenaufgang und je näher die Demozüge den Kohletagenbauen und Kraftwerken kommen, ändert sich dann das Kräfteverhältnis von Polizist*innen und Aktivist*innen. Der blau-lila Finger, der unbemerkt mit dem Zug vom Camp zum Bahnhof Frimmersdorf gekommen war, wird ab sieben Uhr auf der Landstraße von einer behelmten Hundertschaft begleitet. An einer Weggabelung gelingt wenige Minuten später dann aber der Durchbruch: Rund hundert Aktivist*innen rennen an den Beamt*innen vorbei auf ein Feld, kraxeln durch einen Graben, laufen über nasse Gräser und Büsche auf die Kohlegrube zu. Die Beamt*innen schaffen es nicht, sie aufzuhalten. Gut hundert Personen schlittern die steile Böschung hinunter in die Kohlegrube.

Unten werden sie von einer Polizeikette und rund 30 Security-Mitarbeitern des Kohlekonzerns RWE gestoppt. Aggressiv gehen die RWE-Mitarbeiter in den orangefarbenen Warnwesten auch Pressevertreter*innen an. Einen Journalisten reißen sie zu Boden und nehmen ihn in den Schwitzkasten. Anderen versuchen sie das Handy wegzunehmen, bedrängen sie, laufen hinter ihnen her und versuchen ihnen zwischen die Beine zu treten.

„Wir haben hier das Hausrecht und Sie machen sofort die Kamera aus“, ruft einer von ihnen. An einigen Stellen geht die Polizei schlichtend dazwischen. RWE-Sprecher Matthias Beigel sagt dazu: „Niemand hat das Recht hier einzudringen, auch die Presse nicht.“ Es gehe dabei um die Sicherheit.

Erfolgreiche Blockaden, aber auch Polizeigewalt

Die Aktivist*innen aus dem blau-lila-Finger von Ende Gelände werden schließlich von der Polizei eingekesselt und kommen nicht näher an die Braunkohlebagger heran, aber ein Ziel haben sie erreicht: Die Bagger stehen still.

Um zehn Uhr morgens meldet das Bündnis Ende Gelände diverse andere Erfolge. Ein anderer Finger ist am Kohlekraftwerk Weisweiler angelangt, ein weiterer am Gaskraftwerk Lausward. Dass die Aktivist*innen auch auf Gasinfrastruktur zielen, ist neu: Erdgas werde im öffentlichen Diskurs viel zu oft als klimafreundliche Alternative zu Kohle präsentiert – eine „dreckige Lüge“, sagt die Sprecherin des Bündnisses Kim Solievna. „Es ist Wahnsinn, Milliarden in Erdgas, Pipelines und Frackinghäfen statt in erneuerbare Energien zu investieren. Wir sind hier, um Erdgas als Klimakiller zu entlarven.“ Bei der Förderung, Speicherung und dem Transport des fossilen Energieträgers gelangt viel klimafeindliches Methan in die Atmosphäre.

Neben den Erfolgsmeldungen berichten Aktivist*innen auch von Polizeigewalt. In Köln-Ehrenfeld seien behelmte Polizist*innen mit Schlagstöcken in einen Zug gekommen und hätten auf die Aktivist*innen eingeschlagen.

Gegen Samstagmittag versucht dann ein weiterer Demozug, der goldene Finger, aus dem Camp Keyenberg aufzubrechen. Der größte Teil der Aktivist*innen wird aber schnell von der Polizei, auch durch berittene Beamt*innen, ins Camp zurückgedrängt. Es gibt eine Festnahme und der Finger kann vorerst nicht starten. Das Dorf Keyenberg ist eines der sechs Dörfer, die kurz davor stehen, dem expandierenden Tagebau zum Opfer zu fallen.

Insgesamt sollen an diesem Ende-Gelände-Aktionswochenende 14 Finger im Rheinischen Braunkohlerevier unterwegs sein. Ausgestattet sind viele der Aktivist*innen mit Schlafsäcken, Isomatten und Konservendosen. Sie stellen sich darauf ein, die Nacht auf Gleisen oder in Tagebauen zu verbringen.

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