Neue Erinnerungsorte für NS-Opfer: Kein kluger Kompromiss

Berlin bekommt wohl zwei neue Gedenkstätten mit unterschiedlichen Ansätzen. Das „Polen-Denkmal“ könnte eine sinnlose Opferkonkurrenz in Gang setzen.

WEiße und rote Nelken in einem Topf, der mit rotem Krepppapier umwickelt ist

Blumen zum Gedenken an den 80. Jahrestag des deutschen Überfalls auf Polen in Berlin Foto: Christian Spicker/imago

In Berlin werden, falls die Pläne umgesetzt werden, zwei Gedenkstätten an den Vernichtungskrieg nach 1939 entstehen. Mit dem „Dokumentationszentrum deutsche Besatzungsherrschaft in Europa“ wird ein Museum des Zweiten Weltkriegs in Berlin gebaut – und vom Auswärtigen Amt eine Gedenkstätte, die an das NS-Regime in Polen erinnert. Damit endet erst mal ein intensiv geführter Streit.

Die Befürworter des Besatzungsmuseums wollen den NS-Vernichtungskrieg in den Fokus rücken, die Unterstützer des Polen-Denkmals die spezielle Rolle Polens gestern und heute unterstreichen. Dieser Unterschied hat nichts Banales: Erinnert Berlin an alle Opfer der deutschen Besatzung oder vor allem an die polnischen? Setzt Berlin auf ein postnationales oder ein nationales Konzept?

Nun baut man einfach beides, hübsch separiert: Das Besatzungsmuseum wird Teil der Gedenkstättenkonzeption des Bundes sein, das Denkmal für Polen hingegen institutionell sichtbar als außenpolitische Geste. Ist das ein kluger Kompromiss? Den hätte es geben können. Die Stiftung Denkmal und das Deutsche Polen-Institut haben vorgeschlagen, beides zu fusionieren. Das wäre eine kreative Lösung gewesen. Doch sie ist gescheitert – vor allem am Widerstand der Befürworter eines Polen-Denkmals, die unbedingt ihr Denkmal wollen.

Bei dem jetzigen Modell kann man nur hoffen. Zu befürchten ist, dass das Polen-Denkmal in anderen osteuropäischen Regionen die sinnlosen und unproduktiven Rituale nationalistisch gefärbter Opferkonkurrenz in Gang setzt. Das kann gerade in Berlin niemand wollen und würde einer Erinnerungspolitik, die auf Versöhnung und auf diskursive Verflüssigungen zielt, Hohn sprechen.

Die Gedenkdebatte hat bislang nicht nur in Deutschland nur in Fachkreisen Aufmerksamkeit gefunden – die politischen Öffentlichkeiten sind bislang weitgehend desinteressiert. Das ist unter dem Aspekt, dass zu viel Aufmerksamkeit womöglich schädlich wäre, auf bizarre Weise beruhigend.

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Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.

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