NRW startet Massenabschiebung von Roma

FLÜCHTLINGSPOLITIK Das Bundesland fliegt 32 Flüchtlinge ins Kosovo aus, viele andere tauchen aus Angst ab. Über 10.000 Abschiebungen sollen folgen – obwohl die UNO vor katastrophalen Zuständen im Land warnt

BERLIN taz | Als erstes Bundesland hat Nordrhein-Westfalen am Montag eine größere Gruppe Roma ins Kosovo abgeschoben. Eine gecharterte Maschine startete um 13 Uhr von Düsseldorf in Richtung Prishtina. An Bord befanden sich 32 Flüchtlinge in Begleitung von Bundespolizisten.

Der Flug bildet den Auftakt einer geplanten Massenabschiebung: Über 10.000 Roma sollen in den nächsten Monaten aus Deutschland nach und nach in die Republik Kosovo zurückgebracht werden. Der UN-Hochkommissar für Flüchtlinge und andere Organisationen warnen jedoch angesichts einer katastrophalen humanitären Lage von einer Rückführung von Roma in die ehemalige serbische Provinz.

Nach Angaben eines Sprechers des nordrhein-westfälischen Innenministeriums sei ein Teil der Abgeschobenen aus Strafhaft oder dem Abschiebegefängnis Büren nach Düsseldorf gebracht worden. Die Übrigen hätten „zeitgerechte Mitteilungen“ über den Flugtermin bekommen. Mitarbeiter der Ausländerbehörde hätten sie am Montagfrüh aus ihren Häusern und Wohnungen abgeholt. Anschließend seien die Roma zu „zentralen Sammelpunkten gebracht und in Düsseldorf der Bundespolizei übergeben“ worden.

Über 100 von ihnen konnten ihre Rückführung in letzter Minute abwenden: Nach Angaben von Pro Asyl und dem nordrhein-westfälischen Innenministerium standen noch am Freitag 143 Menschen auf der Passagierliste. Ein Teil musste wegen Erkrankungen, Eilanträgen oder aus anderen rechtlichen Gründen den Flug nicht antreten, sagte Stefanie Paul, Sprecherin der Bezirksregierung Düsseldorf. „Die weitaus größte Gruppe“ jedoch sei „zu Hause einfach nicht angetroffen worden,“ so Paul.

„Versetzen Sie sich mal in die Lage von denen. Wenn sie wissen, da kommt einer und will sie abholen, dann sind sie weg“, sagte Rüdiger Schmidt, der Leiter der Zentralen Ausländerbehörde Bielefeld. Seine Behörde hatte den Charterflug organisiert. Laut Volker-Maria Hügel von Pro Asyl haben fast alle Abgeschobenen in Nordrhein-Westfalen gelebt. Unter angemeldeten Passagieren habe sich ein 27-jähriger Rom befunden, bei dem Ärzte eine schizophrene Psychose diagnostiziert hätten. Weil die zur Behandlung nötigen Medikamente im Kosovo nicht verfügbar seien, habe die Ausländerbehörde angeordnet, ihm einen Medikamentenvorrat mitzugeben. Ob diese Person tatsächlich an Bord war, ist nicht geklärt.

Die UNO-Verwaltung des Kosovo hatte wegen der Ressentiments und gewalttätiger Übergriffe gegen Roma stets abgelehnt, Angehörige dieser Minderheit zurückzunehmen. Im Juli unterzeichnete die neue Regierung jedoch ein Rückübernahmeabkommen. CHRISTIAN JAKOB