Mehrfachdiskriminierung von Flüchtlingen: „Frauen in Lagern extrem gefährdet“

Isolation, Sexismus, Vergewaltigungen: Elizabeth Ngari von „Women in Exile“ erklärt, warum sie am Mittwoch in Eisenhüttenstadt protestieren.

Ein Foto von Rita Awour Ojunge und der Überschrift Und Wenn Sie Weiß Gewesen Wäre klebt an einem Gitter während einer Women in Exile Kundgebung

Women in Exile fordert Aufklärung im Fall toten Rita Awour Ojungé und die Schließung aller Lager Foto: imago/Martin Müller

taz: Frau Ngari, warum demonstrieren Sie am Mittwoch mit Ihrer Gruppe „Women in Exile“ vor der Flüchtlingsunterkunft in Eisenhüttenstadt?

Elizabeth Ngari: Wir protestieren am Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen gegen die Bedingungen in dem Lager. Es ist nicht nur ein gefährlicher Corona-Hotspot, sondern auch ein Ort von Übergriffen auf Frauen. Uns haben Bewohnerinnen von Vergewaltigungen und sexualisierter Belästigung berichtet: Eine lesbische Geflüchtete wurde im Lager immer wieder angegangen, obwohl sie sich sogar in einem sogenannten Schutzhaus befunden hat. Die Security und die Behörden sagten einfach, sie soll in ihrem Zimmer bleiben. Die ohnehin schlechte Lage in Flüchtlingsunterkünften wie in Eisenhüttenstadt ist noch einmal schlimmer für Frauen und Kinder.

Ngari kommt aus Kenia und ist eine der Gründerinnen von „Women in Exile“, einer Initiative von Flüchtlingsfrauen, die sich 2002 in Brandenburg zusammengeschlossen haben, um sich für ihre Rechte und gegen Mehrfachdiskriminierung zu engagieren.

Inwiefern?

Das zeigt etwa der Fall von Rita Awour Ojungé. Sie wurde letztes Jahr im April, erst nachdem sie zwei Monate lang verschwunden war, tot aufgefunden – keine 300 Meter von ihrem Flüchtlingslager in Hohenleipisch entfernt. Die Polizei hat lange gebraucht, um die Gegend überhaupt abzusuchen, obwohl es Anzeichen auf ein Verbrechen gab. Die Flüchtlinge aus diesem Lager forderten in einem offenen Brief die Schließung dieses isolierten Lagers, aber noch immer besteht es. Frauen in Flüchtlingsheimen brauchen denselben Schutz wie alle Frauen. In Hohenleipisch fand die Polizei nur noch das Skelett von Ojungé, die Ermittlungen haben den Fall bisher nicht aufgeklärt. Frauen in Lagern kämpfen nicht nur gegen Abschiebungen und rassistische Diskriminierung, sie sind außerdem sexualisierten Übergriffen und Vergewaltigungen ausgesetzt. In isoliert gelegenen Lagern, wie es sie in Brandenburg häufig gibt, sind sie besonders betroffen.

Warum gibt es so viele isolierte Lager fernab der Zivilisation in Brandenburg?

Das fragen wir uns auch. Das ist auch ein Grund für unsere Kampagne. Es macht depressiv und ist traumatisierend, so abgeschnitten zu sein. Das Lager bei Hohenleipisch liegt etwa mitten im Wald, und von dort sind es zwei Kilometer Fußmarsch bis in den Ort. Unseren Brief mit der Forderung, das Lager zu schließen, hat die Kreisstadt Herzberg nicht einmal beantwortet.. Insbesondere Frauen und Kinder müssen aus diesen Lagern raus, sie sollten in Wohnungen und Würde leben können.

Inwiefern verschlimmern sich die Bedingungen noch während der Coronapandemie?

In den Lagern sind viele Menschen auf extrem wenig Raum untergebracht. Dort kann man unmöglich die Hygieneregeln einhalten. In Hennigsdorf gab es deswegen einen Ausbruch, viele steckten sich an. Nicht angesteckte Bewohner durften nicht einmal gegen die schlechten Bedingungen protestieren und wurden alle in Quarantäne gesteckt. Keiner durfte raus. Die Leute haben einfach Angst, weil sie sich kleine Räume teilen. Insbesondere gilt das für durch Vorerkrankungen besonders gefährdete Menschen. Einer unserer Slogans ist daher auch: „Social distancing is a privilege!“

Was muss sich ändern?

Wir fordern zuallererst: Keine Lagerunterbringung für Frauen und Kinder! Im nächsten Schritt sollte man alle Lager abschaffen. Und wir fordern einen generellen Abschiebestopp. Ebenso muss es bessere Hygienebedingungen und Gesundheitsvorsorge für Geflüchtete geben – erst recht während der Pandemie. Viele Frauen sind depressiv und traumatisiert.

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