Putschvorwürfe bei Thüringer Grünen

GRABENKÄMPFE Überraschend wurde Astrid Rothe-Beinlich nicht zur Fraktionsvorsitzenden gewählt. Linke Grüne sprechen von einem Putsch, die Parteispitze redet die Personalie herunter

ERFURT taz | Der linke Flügel der Thüringer Grünen wirft den konservativen Parteikollegen vor, die Landtagswahl-Spitzenkandidatin Astrid Rothe-Beinlich zu demontieren. „Dass sie Astrid nicht zur Fraktionsvorsitzenden gewählt haben, war ein Putsch“, sagte ein wichtiges Parteimitglied der Thüringer Grünen der taz. „Sie“ sind die „Reformer“ um die Spitzenkandidatin zur Bundestagswahl, Katrin Göring-Eckardt. Es gehe um Macht und darum, Rot-Rot-Grün zu verhindern, so der Vorwurf. „Die Sondierungsgespräche sollen zum Scheitern gebracht werden.“

Astrid Rothe-Beinlich vertritt seit Jahren dezidiert linke Positionen, hat den Landesverband aufgebaut und den „Karren aus dem Dreck gezogen“, wie es Parteifreunde formulieren. Bei der Landtagswahl Ende August hat sie die Grünen nach 15 Jahren wieder ins Landesparlament gebracht. Die Früchte ihrer Arbeit ernteten jetzt aber andere, so der Vorwurf mancher Linker. Denn am vergangenen Freitag hat die Grünenfraktion überraschend nicht ihre Spitzenkandidatin zur Vorsitzenden gewählt, sondern Anja Siegesmund, ehemalige Mitarbeiterin von Katrin Göring-Eckardt. Für Rothe-Beinlich blieb der Posten als parlamentarische Geschäftsführerin. Eine Niederlage für den linken Flügel.

Ein anderes Parteimitglied des linken Flügels erklärt: „Das eigentliche politische Schwergewicht der Thüringer Grünen ist ohnehin Katrin Göring-Eckardt.“ Es würde ein neues Kapitel eingeleitet, der Landesverband rücke „in die Mitte, obwohl der linke Flügel wesentlich größer ist“. Bei der Listenaufstellung für die Landtagswahl wurden drei linke und drei moderate Grüne auf die ersten Plätze gesetzt, in der sechsköpfigen Fraktion ist so eine Pattsituation entstanden. Rothe-Beinlich wurde nicht zugetraut, die Fraktion in den kommenden Jahren zusammenzuhalten.

Die Thüringer Grünenspitze stellt den Sachverhalt anders dar. Während der Sondierungsphase und vor der Bundestagswahl will niemand interne Grabenkämpfe öffentlich diskutieren. Astrid Rothe-Beinlich sagt Sätze wie: „Die Fraktion ist mehr als nur ihr Vorsitz“ und „Ich bin gar nicht zur Wahl angetreten, weil ich im Bundesvorstand bleiben will“. Auch Siegesmund spielt das Thema runter. „Ich habe für Sachpolitik geworben und gesagt: Lasst uns die alten Animositäten beiseite legen.“ Die Fraktion müsse geschlossen auftreten.

Derweil dränge sich Katrin Göring-Eckardt – so der Vorwurf aus dem linken Flügel – immer stärker in den Vordergrund. Sie tritt beispielsweise medial sehr stark in Erscheinung, obwohl sie nicht in der Fraktion sitzt. Einigen Landesgrünen stößt das bitter auf. Sie fragen sich, mit welcher Berechtigung „KGE“ plötzlich das Heft in die Hand nimmt.

PAUL WRUSCH