Angeklagte im geplatzten G20-Verfahren: Auf den richtigen Weg gebracht

Das Jugendstrafrecht soll Heranwachsende erziehen. Beim geplatzten Rondenbarg-Prozess passiert genau das, aber anders als vom Gericht beabsichtigt.

Ein Protest-Transparent hängt vor dem Hamburger Gericht, zwei Personen stehen daneben

Soli-Kundgebung für die Betroffenen der G20-Prozesse vor dem Hamburger Landgericht Foto: Daniel Bockwoldt/dpa

Was zunächst wie eine gute Nachricht klingt, ist auf den zweiten Blick nur eine halb gute: Die Jugendkammer des Hamburger Landgerichts hat den G20-Rondenbarg-Prozess eingestellt – vorerst. Wegen der anhaltend hohen Corona-Infektionszahlen und des Lockdowns will das Gericht die Hauptverhandlung erst fortsetzen, wenn die Pandemielage es zulässt. Wann das sein wird, weiß keine*r, sicher aber nicht mehr innerhalb der rechtlichen Frist, in der ein Strafverfahren pausieren darf. Der Prozess muss dann von vorn beginnen.

Zwar haben erst zwei Termine stattgefunden. Trotzdem wäre es lächerlich, die Anfang Zwanzigjährigen aus Stuttgart, Bonn und Halle vier Jahre nach den Gipfelprotesten erneut wöchentlich nach Hamburg zu zitieren. Für die Angeklagten ist die Belastung jetzt schon enorm. Seit Sommer 2017 leben sie mit der negativen Erwartung, sich einer juristischen Prozedur unterziehen zu müssen, die zermürbend und erniedrigend ist.

Hätten sie schwere Straftaten begangen, könnte man sagen okay, das hätten sie sich früher überlegen sollen. Aber das ist ja nicht der Fall. Ihnen wird lediglich vorgeworfen, demonstriert zu haben.

Unverhältnismäßiger Eingriff ins Leben Heranwachsender

Als Steine und Böller aus der Demo in Richtung von Po­li­zis­t*in­nen flogen, diese aber verfehlten, hätten sie durch ihre Anwesenheit und das einheitliche Auftreten psychologisch mitgewirkt, behauptet die Staatsanwaltschaft. Zu Schaden kam allerdings auch niemand, vielmehr wurden die De­mons­tran­t*in­nen buchstäblich von einer Polizei-Sondereinheit zerlegt.

Vor diesem Hintergrund so stark in das Leben heranwachsender, damals Minderjähriger einzugreifen, ist nicht nur völlig überzogen, sondern auch ein trauriges Zeichen für den Rechtsstaat. Zumal das Jugendstrafrecht ja den erzieherischen Gedanken in den Vordergrund stellt. Es zielt nicht vorrangig aufs Strafen, sondern darauf, Jugendliche auf den richtigen Weg zu bringen. Das dürfte schon gelungen sein – aber auf einen Weg gegen die ungerechte Gesellschaft, in der bestraft wird, wer für seine Rechte auf die Straße geht.

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Jahrgang 1986, hat Kulturwissenschaften in Lüneburg und Buenos Aires studiert und wohnt auf St. Pauli. Schreibt meistens über Innenpolitik, soziale Bewegungen und Klimaproteste, Geflüchtete und Asylpolitik, Gender und Gentrification.

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