CDU-Parteitag digital: Es wird ein Mann

Die CDU wählt einen neuen Vorsitzenden. Das Rennen zwischen Laschet, Merz und Röttgen ist offen. Alle drei sind Männer, katholisch und kommen aus NRW.

Frau im roten Hosenanzug steigt eine kleine Treppe hinab

Sie geht, ein Mann kommt: CDU-Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer beim digitalen Parteitag in Berlin Foto: Michael Kappeler/dpa

BERLIN taz | Am Freitagabend steht Annegret Kramp-Karrenbauer im roten Anzug in einer fast leeren Halle in der Messe Berlin und spricht in die Kamera. Es ist ihre letzte Rede als CDU-Vorsitzende. „Euren Erwartungen und meinen eigenen Ansprüchen nicht immer gerecht geworden zu sein, das schmerzt – auch heute noch“, sagt sie.

Nur gut zwei Jahre, nachdem die Wunschkandidatin von Angela Merkel sich im Herbst 2018 als neue neue Parteichefin in einer Stichwahl gegen Friedrich Merz knapp durchgesetzt hat, hatte sie im vergangenen Februar ihren Rückzug erklärt. Der Anlass: Nach dem Debakel um die Wahl von Thüringens Kurzzeitministerpräsident Thomas Kemmerich (FDP) mit den Stimmen von CDU und AfD ließ die Thüringer CDU sie auflaufen.

Eigentlich sollte ihr Nachfolger bereits im April gewählt werden, doch wegen Corona verschob die CDU den Parteitag zweimal. Die Folge war eine Hängepartie, die an diesem Samstag enden soll. Auf einem vollständig digitalen Parteitag wird die CDU ihren neuen Vorsitzenden wählen. Nachdem die CDU 20 Jahre lang von Frauen geführt wurde, ist bislang nur eines klar: Es wird ein Mann – und zwar ein Katholik aus Nordrhein-Westfalen. Ein Frau tritt nicht an und auch niemand aus Ostdeutschland.

Das Rennen zwischen den drei Kandidaten sei offen, sagen fast alle BeobachterInnen. Am Samstag ab etwa Viertel vor zehn werden sich die drei Kandidaten den Delegierten vorstellen, die zu Hause vor ihren Computern sitzen. Jeder von ihnen darf eine Viertelstunde lang reden, die Reihenfolge legt das Alphabet fest. Auch für die Kandidaten wird das eine ungewohnete Situation: Sie sprechen in eine leere Halle, aus der es keinerlei Resonanz gibt.

Laschet, Merz oder Röttgen, das ist hier die Frage

Den Anfang macht Armin Laschet, 59, Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen. Er gilt als Favorit vieler PolitikerInnen aus der Führungsriege, der NRW-Landesvorstand hat ihn nominiert. Für den gläubigen Katholiken spricht vor allem seine Regierungserfahrung und dass er die Landtagswahl 2017 gewonnen und die CDU wieder an die Macht geführt hat. Seine AnhängerInnen betonen, er könne gut integrieren. Sein Problem: In der Coronapandemie wirkte er immer wieder unsouverän.

Kandidat Nummer zwei ist Friedrich Merz, 65, ehemaliger Aufsichtsrat des Vermögensverwalters Blackrock in Deutschland, der zu Terminen gern mit dem eigenen Flugzeug anreist. Merz war zwei Jahre lang Fraktionschef der Union im Bundestag, bis Merkel ihn 2002 aus diesem Amt vertrieb. Viele meinen, dass er ihr dies nie verziehen hat. Merz steht für einen Abgrenzungskurs zur Kanzlerin, auch wenn er das zuletzt immer wieder zurückgewiesen hat. Hinter dem Sauerländer stehen die Konservativen in der CDU und der Wirtschaftsflügel, die Mittelstandsvereinigung hat ihn nomiert. Sein Problem: Merz sagt zu gerne „ich“ und gilt als unberechenbar. Manche in der Partei meinen, dass man mit ihm keine Wahlen gewinnen kann, weil er die Merkel-WählerInnen in die Arme von SPD und Grünen treibe. Auch Regierungserfahrung fehlt ihm.

Norbert Röttgen, 55, ist als Außenseiter in das Rennen gestartet, hat zuletzt aber deutlich aufgeholt. Er ist Vorsitzender des Auswätigen Ausschuss im Bundestag, zuletzt hat er auf allen Kanälen die US-Wahlen und den Sturm auf das Kapitol erklärt. Röttgen hat versucht, sich als Modernisierer zu profilieren. Dass er die CDU weiblicher, jünger und digitaler machen will, betonte er bei jeder Gelegenheit. Sein Problem: Röttgen hat keine Hausmacht in der CDU. In seinem Landesverband nehmen es ihm viele bis heute übel, dass er die NRW-Landtagswahl 2012 als Spitzenkandidat auch deshalb vergeigt hat, weil er, damals Bundesumweltminister, sich nicht auf Düsseldorf festlegen wollte. Im Folge der Wahl schmiss Merkel ihn raus.

Es wird damit gerechnet, dass keiner der drei Kandidaten schon im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit bekommen wird. Deshalb wird es wohl eine Stichwahl zwischen dem Erst- und dem Zweitplatzierten geben. Weil eine digitale Wahl nicht rechtssicher ist, muss das Ergebnis danach in einer Briefwahl bestätigt werden. Es soll endgültig am 22. Januar verkündet werden. Weil Laschet, Merz und Röttgen versichert haben, das Ergebnis der Online-Abstimmung zu akzeptieren und im Falle einer Niederlage nicht zur Briefwahl anzutreten, wird am Samstag nach dem zweiten Wahlgang der neue CDU-Chef wohl feststehen. Das soll gegen Mittag der Fall sein.

Der Kanzlerkandidat muss nicht von der CDU sein

Dann aber ist der zähe Personalprozess noch immer nicht zu Ende. Denn die CDU muss sich mit der CSU noch auf einen Kanzlerkandidaten einigen. Der CDU-Chef ist gewöhnlich der natürliche Kandidat dafür. Allerdings lag in den vergangenen Monaten bei Umfragen dazu regelmäßig CSU-Chef Markus Söder vorn.

Söder selbst hat aber öffentlich bisher stets betont, er wolle in Bayern bleiben. Im Gespräch ist auch Gesundheitsminister Jens Spahn, der als Stellvertreter Laschets antritt. Er soll laut unter Parteifreunden bereits seine Chancen sondiert haben.

Auffällig viele CDU-PolitikerInnen warben im Vorfeld des Parteitags für die Geschlossenheit der Partei und forderten, dass man sich hinter dem neuen Chef versammeln müsse. Groß ist die Angst, dass sich die Partei weiter spaltet und sich der Fall AKK wiederholen könnte – dass also unterlegene Bewerber und deren AnhängerInnen dem neuen Vorsitzenden das Leben schwer machen. Und das in einem Jahr, in dem nicht nur der Bundestag neu gewählt, sondern auch sehr wichtige Landtagswahlen anstehen, die ersten bereits im März in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz.

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