Militär in Myanmar: Politik mit Putschdrohungen

Die Generäle sind frustriert vom Wahldebakel der ihnen nahe stehenden Partei. Sie fordern Neuwahlen und schließen einen Putsch nicht mehr aus.

Frau in Schutzkleidung misst Blutdruck bei Mann in Militäruniform

Blutdruckmessung vor der Impfung eines Abgeordneten des Militärs zur Parlamentseröffnung am Montag Foto: Thar Byaw/Reuters

BERLIN taz | Seit Tagen kursieren in Myanmar Putschgerüchte – und jetzt sollen die nur auf ein angebliches Missverständnis zurückgehen. Das behauptet zumindest das mächtige Militär des südostasiatischen Landes.

Am Samstag erklärte das Oberkommando der Streitkräfte, diese schützten die Verfassung und hielten sich an die Gesetze. Äußerungen von Militärchef Min Aung Hlaing über eine mögliche Aufhebung der Verfassung seien missverstanden worden. Organisationen und Medien hätten behauptet, was sie wollten, und berichtet, als wolle das Militär die Verfassung abschaffen.

Dabei waren die Putschdrohungen unüberhörbar geworden, nachdem das Militär sich in den Wochen zuvor vergeblich über angeblichen Wahlbetrug beschwert hatte. Bei den Wahlen am 8. November hatte die militärnahe USDP ein Debakel erlebt.

Von den 476 Sitzen, die vom Wahlvolk bestimmt werden, bekam die Partei nur 33, rund die Hälfte weniger als fünf Jahre zuvor. Die Wahlkommission wies die Beschwerden des Militärs zurück. Beobachter bezeichneten die Wahlen im Großen und Ganzen als frei und fair. Probleme gab es vor allem, weil in Minderheitengebieten mit bewaffneten Auseinandersetzungen die Wahlen ausgesetzt wurden, was ethnische Parteien kritisierten.

Putschen oder nicht Putschen?

Doch am Dienstag forderte Militärsprecher Zaw Min Tun von der Wahlkommission die Herausgabe der Wählerlisten und erklärte auf Nachfrage: „Wir sagen nicht, dass das Militär die Macht übernehmen wird. Wir sagen aber auch nicht, dass es das nicht tun wird.“

Das löste Putschängste aus. Denn in Myanmar, dem früheren Birma, hatten Generäle schon 1962 und 1988 geputscht und 49 Jahre diktatorisch regiert.

Am Mittwoch legte Militärchef Min Aung Hlaing nach. Er sagte zu Soldaten: „Die Verfassung ist die Mutter aller Gesetze. Wir müssen ihr folgen. Aber wenn das Gesetz nicht befolgt wird, müssen wir es abschaffen, selbst wenn es die Verfassung ist.“

Damit war klar, dass die Äußerungen des Militärsprechers kein Ausrutscher waren, sondern wirklich unverhohlen mit einem Putsch gedroht wird. Das verstanden zumindest auch 17 Botschaften überwiegend westlicher Staaten so. Sie warnten in einer gemeinsamen Erklärung die Generäle vor diesem Schritt. Auch UN-Generalsekretär António Guterres gab eine entsprechende Stellungnahme ab.

Doch hinzu kam, dass plötzlich Panzerfahrzeuge auf den Straßen zu sehen waren. Am Samstag gab es auch noch zwei Demonstrationen von Unterstützern des Militärs. Dabei wurden einige Anhänger der Friedensnobelpreisträgerin und de facto Regierunschefin Aung San Suu Kyi verprügelt, die an entsprechenden T-Shirts zu erkennen waren.

Militär hat Sperrminorität in der Verfassung

Aung San Suu Kyi hat sich bisher weder zur Wahl noch zu den Putschgerüchten geäußert. Sie versuchte bisher vergeblich, die vom Militär geschriebene Verfassung zu ändern, weil diese verhindert, dass sie Präsidentin werden kann.

Bisher wurde sie vom Militär ausgebremst. Doch zum Erstaunen vieler hat sie seit dem Wahlsieg ihrer Nationalen Liga für Demokratie (NLD) 2015 einen Schmusekurs gegenüber den Generälen eingeschlagen und sie zum Beispiel gegen Kritik an der Verfolgung der muslimischen Minderheit der Rohingya verteidigt. Dabei war sie selbst jahrelang vom Militär eingesperrt worden.

Zwar hatte die militärnahe USDP die Wahlen überraschend deutlich verloren, doch besetzt das Militär 250 weitere Sitze im Parlament selbst und hat damit eine Sperrminorität, um Verfassungsänderungen zu verhindern. Wenn der Präsident den Notstand erklärt, hat das Militär zudem das explizite Recht, die Macht im Staat zu übernehmen.

Weil das Militär schon jetzt die mächtigste Institution im Land ist, macht ein Putsch für die Generäle eigentlich wenig Sinn. Abgesehen davon, dass man einen Coup auch nicht ankündigt. „Hunde, die bellen, beißen nicht,“ sagte denn auch ein Beobachter.

Vielmehr scheint das Militär mit seinen Putschgerüchten Druck auf Regierung und Wahlkommission auszuüben und den zur eigenen Gesichtswahrung erhobenen Vorwurf der Manipulation untermauern zu wollen. Am Montag soll das neugewählte Parlament zu seiner konstituierenden Sitzung zusammenkommen.

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