AfD-Beobachtung durch Verfassungsschutz: Eine überfällige Entscheidung

Die AfD hat ihren rechtsextremen „Flügel“ lange groß und mächtig werden lassen. Sie deshalb jetzt insgesamt zu beobachten, wäre richtig.

Jörg Meuthen, Bundessprecher, spricht beim Bundesparteitag der AfD

Parteichef Jörg Meuthen spricht beim Bundesparteitag der AfD in Kalkar am 28.11.2020 Foto: Rolf Vennenbernd/dpa

Berlin | taz | Die AfD als Gesamtpartei wird nach Informationen aus Sicherheitskreisen vom Verfassungsschutz als rechtsextremer Verdachtsfall eingestuft, wahrscheinlich schon kommende Woche. Es wäre eine folgerichtige Entscheidung. Zwei Jahre schon prüft die Behörde, wie rechtsextrem die AfD ist, das ist öffentlich bekannt. Ein solcher Schwebezustand, der der Partei trotzdem einen Stempel aufdrückt, darf in einem demokratischen Rechtsstaat nicht ewig dauern. Wenn die Behörde es nicht schafft, ausreichende, rechtssichere Belege für eine richtige Einstufung zusammenzutragen, muss sie den Prüffall aufheben. Das gilt auch für die AfD.

Dass das Bundesamt für Verfassungsschutz diese Belege nun offenbar zusammen hat – das ist gut so. Denn der „Flügel“ der Partei, seit einem Jahr vom Verfassungsschutz als erwiesen rechtsextrem eingestuft und damit vergleichbar mit der NPD, hat auch in den vergangenen zwei Jahren in der AfD weiter an Einfluss gewonnen. Daran ändern auch dessen offizielle Auflösung und der Rausschmiss von „Flügel“-Strippenzieher Andreas Kalbitz wenig. Die Netzwerke bestehen und arbeiten weiter, wenn auch vielleicht nicht ganz so effektiv, wie dies unter Kalbitz' Organisation der Fall war.

Auf Parteitagen aber können sie etwa die Hälfte der Stimmen mobilisieren, das hat der Bundesparteitag in Kalkar im Dezember erst deutlich gemacht. Und in Niedersachsen und Sachsen-Anhalt hat sich zuletzt der „Flügel“ bei Vorstandswahlen durchgesetzt. Was auch zeigt, dass dies nicht nur ein Problem der AfD im Osten ist, auch wenn der „Flügel“ dort deutlich stärker ist als in den westlichen Landesverbänden.

Für Parteichef Jörg Meuthen und seine MitstreiterInnen, die eine Einstufung der Gesamtpartei unbedingt verhindern wollten, könnte sich nun also rächen, dass sie lange selbst mit dem „Flügel“ paktierten – teils aus Opportunismus, um die eigene Machtposition abzusichern, teils aus der Überzeugung, dass gute zweistellige Wahlergebnisse nur dann zu erreichen sind, wenn die AfD WählerInnen von der bürgerlichen Mitte bis weit ins rechtsextreme Lager hinein mobilisiert. Dass die „Flügel“-AnhängerInnen die gesellschaftliche Stimmung besonders scharf aufheizen, davon hat auch der Rest der AfD profitiert. Und mit so mancher Position der Flügelianer haben sie ohnehin kein Problem.

Meuthen und Co haben die inhaltliche Auseinandersetzung mit den Rechtsextremisten in der Partei lange gescheut, sie haben den „Flügel“ groß und mächtig werden lassen, er ist schon lange keine Randerscheinung mehr, sondern bestimmend für die Partei. Eine Einstufung der Gesamtpartei durch den Verfassungsschutz wäre deshalb der richtige Schritt.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Jahrgang 1966, Politikwissenschaftlerin und Journalistin. Seit 1998 bei der taz - in der Berlin-Redaktion, im Inland, in der Chefredaktion, jetzt als innenpolitische Korrespondentin. Inhaltliche Schwerpunkte: Union und Kanzleramt, Rechtspopulismus und die AfD, Islamismus, Terrorismus und Innere Sicherheit, Migration und Flüchtlingspolitik.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.