Coronabekämpfung in Deutschland: Deutschland impft nur mittelmäßig

Dennoch ist Gesundheitsminister Jens Spahn guter Dinge und wirbt um Vertrauen. Der Impfgipfel dürfte nur wenig Fortschritte bringen.

Eine Frau und ein Mann in orthodoxer Kleidung warten auf ihre zweite Imfung

Warten auf die zweite Dosis: Impf­an­wär­te­r*in­nen in Tel Aviv Foto: Oded Balilty/ap

BERLIN taz | Zu wenig Lieferungen, überlastete Telefon- und Internetleitungen bei der Impftermin-Vergabe – die Unzufriedenheit fünf Wochen nach dem Impfstart in Deutschland ist groß. Nun hat Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) um Geduld und Verständnis geworben. „Es kommen jede Woche Impfstoffe, und es werden Zug um Zug auch mehr“, sagte Spahn am Samstag in einem Town Hall Meeting, bei dem Bür­ge­r*in­nen den Minister digital befragen konnten. „Ich bitte einfach um ein Stück Vertrauen.“

Der Gesundheitsminister räumte ein, dass der Impfstart ohne Zweifel schwierig gewesen sei. „Ich verstehe auch die Ungeduld gut, sehr gut.“ Man dürfe aber nicht vergessen, wie lange die Entwicklung eines Impfstoffs normalerweise brauche. Nun gebe es ein gutes Jahr nach der Identifizierung des Coronavirus drei zugelassene wirksame Impfstoffe. Das sei ein großer Erfolg.

Am Montag will Bundeskanzlerin Angela Merkel mit den Mi­nis­ter­prä­si­den­t*in­nen der Länder beim Impfgipfel über die aktuellen Probleme beraten. An einer Videokonferenz teilnehmen sollen auch Ver­tre­te­r*in­nen von Impfstoffherstellern und von der EU-Kommission, die für die gesamte Union Vakzine einkaufen.

Angesichts heftiger Kritik an nicht eingehaltenen Lieferzusagen der Hersteller hat Spahn bereits am Samstag deren Lieferlisten für den Monat Februar veröffentlicht. Demnach werden die Bundesländer bis zum 22. Februar mindestens 5 Millionen Dosen der bislang in der EU zugelassenen Impfstoffe von Biontech, Moderna und AstraZeneca erhalten.

Unmut unter den Länderchefs

Wie zuvor schon Biontech und Astra­Zeneca hatte auch das US-Unternehmen Moderna am Freitag „kurzfristig angepasste Lieferschätzungen“ angekündigt und damit unter den Länderchefs für Unmut gesorgt. „Wie soll man da Impfungen planen?“, wetterte Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) am Samstag auf Twitter. Moderna versicherte, diese kurzfristigen Engpässe würden bald wettgemacht sein. Alle Lieferverpflichtungen im ersten Quartal würden eingehalten, hieß es.

Während von Moderna in den nächsten drei Wochen 43.200 Dosen weniger kämen als vorgesehen, lieferten Biontech und AstraZeneca den Bundesländern bis zum 22. Februar 1.747.000 Impfdosen mehr als bisher geplant, twitterte auch Spahns Ministerium. Damit würden vorübergehende Engpässe beim Moderna-Impfstoff „mehr als ausgeglichen“.

Seit Beginn der Impfkampagne Ende Dezember sind über 3,5 Millionen Dosen ausgeliefert und rund 2,2 Millionen Dosen verimpft worden. Vorausgesetzt, die Hersteller halten sich an diese Zusagen, werden bis Ende Februar etwa 10 Prozent der Bevölkerung eine Erstimpfung erhalten haben, rund die Hälfte von ihnen auch die zweite Impfung, die für einen Schutz zwischen 70 und 95 Prozent notwendig ist.

Trotz der vielen Pannen zum Impfbeginn steht Deutschland bei der Impfvergabe im internationalen Vergleich verhältnismäßig gut da. Gemessen an der Zahl der verabreichten Dosen pro 100 Ein­woh­ne­r*in­nen liegt die Bundesrepublik aktuell auf Platz 13. Unangefochtene Nummer eins beim Impfen ist Israel, dort sind bereits rund 40 Prozent der Bevölkerung geimpft. Es folgen eine Reihe weiterer kleiner Staaten, die frühzeitig bestellt und von denen zumindest einige erwiesenermaßen mehr für die Vakzine bezahlt haben.

Leere Worte aus dem globalen Norden

Auch Ex-EU-Land Großbritannien und die USA sind bei ihren Impfkampagnen weiter, haben allerdings über Notzulassungen auch zwei Wochen früher als angedacht begonnen. Im EU-weiten Vergleich liegt Deutschland im Mittelfeld.

Die für dieses Jahr vorgesehenen Dosen von Moderna und Biontech haben sich allesamt die reichen Länder gesichert. Geradezu verlogen wirken da die Aufrufe westlicher Regierungschefs, bei der Impfstoffvergabe auch die Länder des globalen Südens frühzeitig zu berücksichtigen.

Ein wichtiges Thema beim Impfgipfel am Montag dürfte auch die Empfehlung der Ständigen Impfkommission über eine Altersbeschränkung beim Impfstoff von AstraZeneca sein. Die am Robert Koch-Institut (RKI) angesiedelte Impfkommission hatte das Vakzin nur für Personen im Alter von 18 bis 64 Jahren empfohlen.

Zur Beurteilung der Impfeffektivität ab 65 Jahren lägen bisher keine ausreichenden Daten vor, hieß es. Die EU-Arzneimittelbehörde EMA hingegen hatte die europaweite Zulassung des Impfstoffs empfohlen, und zwar ohne Altersbegrenzung. Spahn kündigte nun eine Überarbeitung der Impfverordnung an. Man werde generell an einer Impfpriorisierung festhalten, aber den Astra­Zeneca-Impfstoff nun schon Leuten jünger als 65 anbieten.

Bei der Frage, wie die Produktionskapazitäten in den nächsten Wochen ausgeweitet werden kann, dürfte eine Lösung ausbleiben. Weitere Produktionsstätten sind zwar im Gespräch. Den aktuellen Engpass werden diese aber nicht beheben. Denn bis sie mit der aufwändigen Impfstoffproduktion loslegen können, vergehen Monate. (mit dpa)

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