wortwechsel
: Alle sind überfordert – besonders die Bürokratie

Chaos made in Germany: Die Impftermine! Kein Mensch, keine Maschine erreichbar. Über Tage! Und die Realität für viele psychisch Kranke: Therapie? Hilfe in der Krise? Unerreichbar

Dieser Mann ist über 80 und lebt zu Hause. Er hat schon einen Termin im Impfzentrum in Köln bekommen. Das war am 8. Februar 2021. Hoffentlich ist es heute voller Foto: Oliver Berg/dpa

„Debatte über andere Impfreihenfolge: Stur bürokratisch. Es ist typisch deutsch: immer schön der Reihe nach impfen. Doch dieses Prinzip verhindert fatalerweise eine schnellere „Durchimpfung“ der Bevölkerung“, taz vom 28. 2. 21

Leider kein Termin frei!

Die Forderung Herr Söders, den Impfstoff AstraZeneca sofort und für alle zu verimpfen, die den Impfstoff gespritzt haben möchten, die noch nicht an der Reihe sind, ärgert Personen in meiner Situation immens. Vor allem weil im Allgemeinen der Eindruck entsteht, die berechtigten Personen würden sich alle sträuben. Ich wohne in Baden-Württemberg und wäre jetzt seit Tagen an der Reihe, geimpft zu werden. Seit Tagen bin ich damit beschäftigt, mich zu einer Impfung anzumelden. Egal mit welchem Impfstoff. Leider sind derzeit keine Termine frei. Auch nicht im Impfzentrum, das 50 km entfernt liegt. Ich würde also durchaus sagen, dass es einen Run auf die Impfzentren gibt. Das heißt für mich, dass es eher an der Organisation hakt, oder nicht? Ich finde eine Priorisierung immens wichtig, um – wie Sie auch in diesem Meinungsbeitrag sagten – soziale Ungerechtigkeiten zu vermeiden. Auch wenn man vielleicht über die Priorisierungen vereinzelt streiten kann. Eine Forderung nach einer schnellen Impfung aller Priorisierten (und der Reihe nach), die sich impfen möchten, wäre jetzt erst einmal angebrachter. Denn Ihre Forderung ließe meine Aussichten auf Impfung noch weiter schrumpfen. Daniela Meidlinger, Stuttgart

Sie wollen die Impfung!

In Deutschland leben heute etwa 1,6 Millionen Menschen mit Demenzerkrankungen. Etwa zwei Drittel davon werden in der häuslichen Umgebung von Angehörigen betreut und gepflegt. „Was wir jetzt brauchen, sind unkomplizierte Verfahren und klare Formulierungen, um Menschen mit Demenz und ihren Angehörigen den Zugang zu einer Impfung zu ermöglichen“, insistiert Sabine Jansen, Geschäftsführerin der Deutschen Alzheimer Gesellschaft e. V. Menschen mit einer Demenz gehören laut der aktuellen Impfverordnung zu den Personen, die mit hoher Priorität (Gruppe 2) eine Schutzimpfung gegen Covid-19 erhalten sollen. Vorgesehen ist auch, dass jede erkrankte Person bis zu zwei enge Kontaktpersonen benennen kann, die dann mit gleicher Priorität eine Impfung erhalten können. Unklar ist bisher, wie diese Regelungen in der Praxis umgesetzt werden. Eine schnelle und unbürokratische Regelung ist dringend erforderlich! Auch die formale Vorgabe, wie sich entsprechende Kontaktpersonen als diese ausweisen können, ist nicht geklärt. Und dies, obwohl in einigen Bundesländern bereits Berechtigte der zweiten Stufe zur Impfung eingeladen werden. Hinzu kommt, dass die Anmeldung zur Impfung per Internet oder über eine Hotline mit Sprachcomputer für Erkrankte ohne Unterstützung kaum zu leisten ist. Die Gefahr ist groß, dass auf diesem mühsamen Weg ein großer Teil derjenigen aufgibt, die sich jetzt bereitwillig impfen ließen. Susanna Saxl, Deutsche Alzheimer Gesellschaft e. V. Selbsthilfe Demenz, Berlin

Ohne meine Frau?!

„#Impfdrängler“, taz vom 26. 2. 21

Meine Frau und ich sind 82. Ich habe vier Tage mit besetzten Hotlines und nur gelegentlich funktionierenden Webseiten zugebracht. Erreicht habe ich, dass mein erster Impftermin eine Woche nach dem zweiten Impftermin meiner Frau liegt. Ich glaube nicht, dass es in NRW ein einziges zu Hause lebendes Seniorenehepaar gibt, das einen gemeinsamen Impftermin hat. Ich empfinde es vor diesem Hintergrund als zynische Gemeinheit, mit welcher Begeisterung das Randproblem der „Impfdrängler“ diskutiert wird. Heute sogar in „verboten“. Meine viel jüngere Tochter spricht dagegen von schwarzer Pädagogik, weil die „Impfdrängler“ die „Impfskeptiker“ aus den Schlagzeilen verdrängt haben. Besser hätte man das kaum machen können. Hermann Karcher, Sankt Augustin

Allein: psychisch Kranke

„Die Psyche in der Pandemie. Der Coronablues spielt lauter“, taz vom 17. 2. 21

Ich bin Studentin. Und ich habe psychische Probleme. Seit dreieinhalb Jahren habe ich Depressionen. In der Zeit habe ich mein Abi gemacht, bin zweimal umgezogen, habe angefangen zu studieren. Und dann kam Corona. Anstatt Menschen kennen zu lernen, Partys, politisches Engagement waren ich und meine Kom­mi­li­to­n*in­nen zur Isolation gezwungen. Rauszugehen und zu sozialisieren stellte eine Gefahr dar – das Einzige, was mir bis dahin noch etwas gegeben hatte. Und so landete ich nach zwei Monaten in der Klinik. Seit November bin ich wieder auf mich allein gestellt. Das heißt, jeden Tag vor dem Laptop zu sitzen, beim Nachrichtenlesen nur mit Leid und Unsicherheit und Intoleranz konfrontiert zu sein. Die Reserven an Energie, die ich mir mühsam aufgebaut hatte, wurden ausgeschöpft, ich an meine Grenzen getrieben – und damit war ich nicht allein. Seitdem ich aus der Klinik raus bin, bin ich auf der Suche nach einem Therapieplatz. Nur ist das System überlastet, The­ra­peu­t*in­nen gehen nicht ans Telefon, halten ihre Sprechzeiten nicht ein. Ich werde allein gelassen und habe das Gefühl, nur eine Belastung für die Gesellschaft darzustellen. Vor einer Woche, als ich erfuhr, dass auch nächstes Semester online stattfinden wird, rissen bei mir sämtliche Stricke. Ich wurde von einer zur anderen Klinik verwiesen, die mich wieder auf andere Kliniken verwiesen, bis ein Kreis entstand, aus dem niemand, wirklich niemand, sich meiner annehmen konnte. Seit Monaten kann mensch die Besetzung der Krankenhausbetten durch Co­ro­na­pa­ti­en­t*in­nen live verfolgen, aber die Tatsache, dass das Angebot für Menschen mit psychischen Problemen komplett aufgebraucht ist, bleibt unsichtbar. Ich bin unsichtbar. Aber vor allem bin ich hoffnungslos. Und ich weiß nicht mehr, wie es weitergehen soll. Name ist der Redaktion bekannt

Und die Sozialrentner?

Wäre es Ihnen möglich, mal im Ministerium nachzufragen, ob auch arme Sozialrentner wie ich und viele andere beim Coronabonus berücksichtigt werden? Denn wir sind noch ärmer dran als Hartz-IV-ler. Tibor Simandi-Kallay, Fulda