Amateurfußball und Lockdown: An der Basis grummelt es

In vielen Vereinen wächst der Unmut, da ihnen die in Aussicht gestellten Lockerungen nicht reichen. Nun richtet der DFB Forderungen an die Groko.

Trainingsbetrieb im Kinderfußball: zwei kleine Tore, ein Kind spielt den Ball

Alles klar? Fußball für maximal 20 Kinder bei einer Inzidenz von 100, hier U-10 vom SV Loschwitz Foto: Robert Michael/dpa

Wenn Rainer Koch, Vizepräsident im Deutschen Fußball-Bund (DFB), auf seinem Facebook-Profil tagesaktuelle Themen behandelt, dann erreicht der geschickte Netzwerker zwar kein solches Massenpublikum wie Nationalspieler, dennoch ist auf seiner Plattform gut nachzuverfolgen, was die Basis bewegt. Ganz aktuell geht es um „praxisnahe und verständliche“ Vorgaben einer Lockerung der Coronabeschränkungen für die Vereine. Mit dieser Forderung sind sich Vize Koch und Präsident Fritz Keller einig, was man bei vielen anderen Themenfeldern nicht sagen kann.

Nach den von Bund und Ländern in Aussicht gestellten Lockerungen für den Sport erfolgten von Koch und Keller am Donnerstag fast gleichlautende Stellungnahmen. Neben einer gewissen Erleichterung formulierten beide einiges an Unverständnis, weil 24.500 Vereine bis Ostern die Perspektive vermissen. Keller teilte mit, er habe sich „mutigere Öffnungsschritte gewünscht“. Koch verlangte: „Die Verantwortlichen in den Landesregierungen dürfen unsere Vereine jetzt nicht im Regen stehen lassen, sondern müssen klar und unmissverständlich formulieren, was in welcher Form für das Fußballtraining erlaubt ist.“ Die Fußballbosse spüren mehr als ein Grummeln im Amateurlager.

Die in einigen Bundesländern erlassenen Vorgaben klingen für den Fußball reichlich kompliziert. Spötter meinen, eher könnten die F-Junioren „mit einem asymmetrischen Linksverteidiger und einem breitziehenden linken Zehner“ spielen – eine Anlehnung an die Matchplan-Erklärung des Nürnberger Trainers Robert Klauß –, als dass die amtlichen Anordnungen verstanden würden.

Neuerdings heißt es: Eine Region oder ein Land kann ab Montag den Freiluftsport für Kinder bis 14 Jahre, also auch Fußball, für Gruppen bis höchstens 20 Kindern bei einer stabilen Inzidenz von 100 oder weniger erlauben. Das ist gut, aber der nächste Öffnungsschritt – frühestens ab dem 22. März – ist bei derselben Inzidenz nur möglich, wenn für alle Erwachsenen und ab Ü15 ein tagesaktueller Schnell- oder Selbsttest vorliegt. Wer soll den bezahlen? Wer soll das überprüfen? Rätselraten.

„Hochgradiger Irrsinn!“

Viele Fußballer hatten eingedenk der heiklen Infektionslage und des harten Winters für die Zwangspause ja noch Verständnis, aber insgeheim im Frühjahr auf eine Rückkehr wenigstens zum Trainings- und Spielbetrieb des vergangenen Sommers gehofft, als Eltern ihre Kinder bereits umzogen und zum Training brachten oder Erwachsene aufs Duschen im Vereinsheim verzichteten.

Am Montag stellt der DFB Ergebnisse einer Umfrage vor. 100.000 Menschen haben teilgenommen

Nun entlädt sich auf Kochs Plattform einiges an Frust. „Bei Inzidenzwerten wie derzeit in Hof, Kulmbach, Wunsiedel und Tirschenreuth rollt demnach in diesem Jahr dort kein Ball mehr, wohingegen in Schweinfurt quasi lustig drauflos gekickt werden kann. Das ist natürlich auch Strategie“, schreibt Franz Neumeister. Und Franz Bauhuber bemerkt: „Das was da angeboten wird von der Regierung, Herr Koch, ist hochgradiger Irrsinn! Was ist den Vereinen und unserer Nachwuchsarbeit damit geholfen?“ Er habe bis zur Schließung im November als Schiedsrichter mehr als 30 Spiele geleitet – und ihm sei kein einziger Coronafall bekannt.

Nationalmannschaftsarzt Tim Meyer hatte für den DFB zuletzt aus einer Studie zitiert, bei der mehr als 750 Partien aus dem Profi- und Amateurbereich mit mindestens einem coronaverdächtigen Spieler untersucht wurden – und in den entsprechenden Mannschaften seien danach keine weiteren Verdachtsfälle festgestellt worden. Der DFB sandte zudem einen offenen Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel, den Sport als Teil der Lösung zu betrachten. Darin steht auch: „Der Bewegungsmangel und die fehlenden sozialen Kontakte im Verein während des zweiten Lockdowns haben nachweislich dazu beigetragen, dass über 30 Prozent der Kinder- und Jugendlichen während der Pandemie psychische Auffälligkeiten aufweisen.“

Der DFB hat zudem eine bundesweite Umfrage getätigt, um den Befindlichkeiten nachzuspüren. Die detaillierten Ergebnisse stellen Keller und Koch am Montag auf einer digitalen Pressekonferenz gemeinsam vor. Allein die Teilnehmerzahl macht die Dringlichkeit des Themas deutlich: mehr als 100.000.

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